Vorwort:

Ich weiß, die Geschichte ist nicht sehr realistisch ... aber wozu haben wir es hier mit der magischen Welt, der Hexen und Zauberer zutun? Ich weiß, dass ein Komet nicht einfach so plötzlich unbemerkt auftaucht ...
Aber trotzdem, es ist ein sehr schöner Gedanke, wenn so etwas geschieht. Vor allem wenn ... na, lest lieber selbst. ;-)

1. Kapitel - Sternschnuppen

Es war eine sternenklare Nacht über der Hawknerschule. Die Falken hatten sich längst in ihre Nachtlager zurückgezogen, die Eulen machten sich auf die Jagd und die Schüler schliefen ausnahmslos in ihren Betten. Niemand hätte ahnen können, was sich heute am Himmel tat. Nicht mal Prof. Nocturne hätte diese Erscheinung vorausberechnen können, obwohl sie doch Abend um Abend in die Sterne sah, ob Unterricht oder nicht.
Prof. Nocturne war gerade dabei, die Venus noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Jedes mal, wenn sie einen Planeten und seine Oberfläche sah, hatte das eine erstaunlich beruhigende Wirkung auf sie. Und wenn sie dann endlich mal Schlaf fand, dann träumte sie davon, wie es war, auf dem Boden eben dieses Planeten zu stehen und seine Landschaften zu untersuchen. Dann spürte sie, wie kosmische Winde sie umwehten und wie sie eins mit dem schwarzem Nichts um sie herum wurde. Prof. Nocturne seufzte bei dem Gedanken.
Die Venus war einer ihrer liebsten Planeten, weil er der hellste Planet des Sonnensystems war und sie das Teleskop sehr scharf stellen konnte. Der Planet, der nach der griechischen Göttin der Liebe, Aphrodite benannt wurde.
Aphrodite! Stella Nocturne war belustigt.
Die Liebe! In meinem Leben hat sie sich nie gezeigt. Hmm ...
Vielleicht lag es auch daran, dass sie sich schon immer absonderte, sich als sie älter wurde, langsam immer mehr schwarzweiße Schminke ins Gesicht schmierte und für ihre Mitmenschen kaum zu erreichen war. Vielleicht lag es wirklich daran, dass sie mit dem Kopf nur in ihrem Sternenhimmel hing und für nichts anderes einen Blick mehr entwickelt hatte.
Aber sie war glücklich damit oder?
Es war so einfach, sich in die Sterne hineinzuflüchten!
Komisch! Warum kann ich mich heute nicht konzentrieren!?, dachte sie.
Sie besann sich, atmete einmal tief durch, fuhr sich durch ihr strubbeliges schwarzes Haar und wandte sich dann endlich wieder der Venus zu.
Plötzlich blendete sie ein intensives blaues Leuchten durch die Linse!
"Was zum ...!", regte sie sich auf und rieb sich die Augen. Als die tanzenden, bunten Lichter vor ihrem Auge verschwunden waren, suchte sie in ihrer Umhangtasche nach dem schwarzem Filter für eine Sonnenfinsternis, denn das Leuchten war mindestens genau so hell gewesen, wie das Sonnenlicht.
Sie schob ihn vor die Augenlinse, in die vorgefertigte Öffnung dafür und blickte erneut hindurch.
Hinter der Venus, da war dieses helle blaue Licht, fast so hell wie ein Stern. Es bewegte sich in enormer Geschwindigkeit!
Prof. Nocturne runzelte die Stirn. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Das Leuchten dieses Lichtes, von dieser intensiven blauen Farbe ...
Sie sah jetzt noch etwas! Das blaue Licht bewegte sich weiter von der Venus fort und was Stella Nocturne nun erkennen konnte, raubte ihr den Atem! Das blaue Licht zog einen langen Schweif hinter sich her! Konnte es sein, dass ...?
Aber Prof. Nocturne wusste sich keine bessere Antwort darauf! Keine Zweifel! Ein kleiner blauer Komet!
"Wie ist das nur möglich?", murmelte sie, aber die Begeisterung erfüllte ihr Herz und sie lachte leise vor Freude. Wie konnte es nur sein, dass ein Komet blau war?
Gebannt starrte sie weiter durch die Linse und hätte wahrscheinlich bereits mehrere Stunden damit verbracht, wenn sie kurze Zeit später nicht folgendes feststellen würde:
Moment mal ... der kommt ja in unsere Richtung, stutzte sie und beobachtete weiter.
Zwar nicht direkt ... Aber sein Schweif wird uns treffen!
Prof. Nocturne grinste.
Sternschnuppen!
Blaue Sternschnuppen würden auf die Erde segeln und wenn sie Glück hatte, würde sie zumindest eine finden!
Stella überlegte nicht lange und raste zur Schülerplattform hinunter, schnappte sich ihren Umhang und ihren Hexenhut, ihre Tasche und diverse andere Gerätschaften, die sie darin verstaute. Dabei blickte sie immer wieder nervös aus dem Fenster. Es dauerte eine Weile, ca. eine Stunde war schließlich vergangen und dann, als sie ihren Kopf erneut hinausstreckte, war er da! Man konnte ihn mit bloßem Auge erkennen!
Welch ein Anblick!, dachte sie. Als der Komet schon sehr sehr nahe war, verließ sie den Astronomieturm.

Währenddessen schlich sich jemand im Hawknerwald herum, ein absoluter Langschläfer der sich immernoch nicht daran gewöhnt hatte, so früh aufzustehen, nur um zum richtigen Zeitpunkt seine Zutatenkräuter pflücken zu können.
Prof. McDove, der hagere, blonde Zaubertranklehrer gähnte herzhaft.
Was ich nicht alles für diese Grünschnäbel aus der ersten Klasse tue, dachte er sich und sah sich mit verschlafenem Blick um.
"Achja", seufzte er und ließ sich auf dem nächsten Baumstamm nieder. Er spürte eindeutig, dass er für solche nächtlichen Touren nicht mehr geeignet war.
Früher sind wir gemeinsam in den tropischen Wäldern Kräuter sammeln gewesen, Shavi, weißt du noch?
Er zog ein altes zerknittertes Foto aus seiner Umhanginnentasche heraus. Darauf waren er und Shavi Hawkner abgebildet, die ehemalige Schulleiterin der Hawknerschule. In ihrem fünftem Schuljahr auf der brasilianischen Zauberschule hatten sie und Thomas McDove sich einst kennengelernt, weil sie beide Ausländer gewesen waren. Sie hatte Thomas erzählt, dass sie nur ein einziges Jahr in Brasilien verbringen würde und trotzdem hatten sie sich, als sie älter waren, einst wiedergetroffen.
Prof. McDove lächelte, als er sah, wie das dunkelblonde Mädchen ihm auf dem Foto das Ohr langzog. Dann steckte er das Foto wieder ein.
Wo bist du nur, Shavi? Langsam könntest du dich mal wieder blicken lassen! Man hatte auf dich gezählt, dass du zurückkehrst und du bist nicht gekommen ...
Der Professor stand auf.
Außerdem hast du den Kräuterkorb immer so schön getragen. Bei einem Mann wie mir, das musst du doch zugeben, sieht das einfach nur albern aus!
Apropo albern, dein Freund hat sich auch nicht mehr blicken lassen! Der mit der langen Nase und dem finsterem Blick!
Und ich fange doch tatsächlich an Selbstgespräche zu führen! Gibt´s das?

Professor McDove kratzte sich am Kopf und gestand sich ein, dass er schon langsam in die Jahre kam, in denen man eben anfing, mit sich selbst zu sprechen.
Ein leichter Schauer lief ihm über den Rücken!
Nur nicht dran denken, ermahnte er sich.
Wie er sich da so mit sich selber beschäftigte, bemerkte er natürlich überhaupt nicht, wie sich langsam etwas näherte. Erst, als der Himmel sichtlich heller war und er sich vom Pflücken eines Liebstöckels lösen konnte, hob er den Blick.
Er klappte den Mund auf, machte ihn wieder zu und stand auf.
Das, was er da oben sah, war ein Meer aus Sternschnuppen ... Und es waren nicht einfach nur Sternschnuppen! Der ganze Himmel war durch diese Sternschnuppen von einem Blauem Licht erfüllt.
Wenn du eine Sternschnuppe siehst, dann darfst du dir etwas wünschen, erinnerte er sich an den alten Aberglauben und er lächelte. Naja, schaden konnte es ja nichts ..., dachte er und er legte die Hand auf sein Herz.
Gerade in diesem Augenblick schoss eine ganz besonders große Sternschnuppe über ihm vorbei. Er sah, wie sie etwas über den Baumwipfeln fallen ließ und welches so nur ein paar zehn Meter entfernt von ihm abstürzen musste.
Die Neugier trieb ihn und er setzte sich in Bewegung. Er vergaß schnell den Wunsch, den er getätigt hatte, so schnell, als wäre er mit einem mal verpufft.
Einen kleinen Minikrater hatte das Ding, was sich von der Sternschnuppe gelöst hatte, hinterlassen, direkt auf einer Lichtung als wusste sie genau, wo sie hinfallen musste, um nirgendswo etwas zu beschädigen.
Langsam trat Prof. McDove näher und schaute in das kleine Loch hinein. Ein blauer Stein lag dort, noch blauer als ein Saphir, noch blauer als ein Lapislazuli.
Vorsichtig streckte der Professor die Hand aus und gerade da, als er den Stein berührte, wurde ihm bewusst, dass das eigentlich gar nicht sein konnte! Der Stein musste unvorstellbar heiß sein! Aber stattdessen war er nur angenehm lauwarm.
Prof. McDove hob ihn hoch und besah ihn sich ...
Wie wunderschön, dachte er. Und wahrscheinlich unsagbar teuer ...
Ein Glücksfall, dass er ihn nun sein Eigen nennen konnte.
"Hey!", rief jemand wütend.
Verdutzt blickte er um sich.
Aus dem Dickkicht tauchte eine schwarzweiße Fratze auf und er erschrak und wollte den Zauberstab ziehen, bis er sie schließlich als das bemalte Gesicht von Prof. Nocturne identifizierte.
"Das ist meine Sternschnuppe! Ich habe sie zuerst gesehen!"
"Wer sagt das?", fragte er grinsend und steckte den Zauberstab wieder ein.
"Ich!", antwortete sie und stellte sich naseweis und breitbeinig vor ihm auf.
"Wer zuerst kommt, malt zuerst!", meinte der Professor und steckte den Stein provokativ ein.
"Hey, aber ... ich habe diesen Kometen durch mein Teleskop gesehen! Rein rechtlich gesehen gehört der Stein mir!"
"Reden Sie doch keinen Unsinn ... außerdem ... waren dort heute so viele Sternschnuppen zu sehen. Sie finden bestimmt noch einen weiteren Stein!"
Mit diesen Worten wandte Prof. McDove sich zum Gehen.
"Egoist!", zischte Stella Nocturne ihm hinterher, dann machte sie sich wohl oder übel weiter auf die Suche.
Die Sternschnuppen jedoch waren bald nicht mehr zu sehen und viele Stunden später musste Prof. Nocturne sich geschlagen geben und den Heimweg antreten.

2. Kapitel - Verschwunden

Prof. McDove ging müde und völlig fertig zu seinen Räumen im Lehrerruhebereich des 2. Stocks. Alles, wonach er sich jetzt noch sehnte, war ein klein wenig Schlaf. Doch dann erinnerte er sich an etwas sehr Wichtiges und nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging er nicht sofort in sein Schlafzimmer, sondern holte den blauen Stein hervor, an dem Prof. Nocturne so interessiert gewesen war. Er selber war nicht umsonst Alchimist geworden, um den Wert eines solchen Gegenstands zu schätzen.
Tut mir Leid, lächelte er zu sich selber.
Aber ich habe ihn zuerst gefunden.
Er stellte den Kräuterkorb auf seinem Schreibtisch ab und setzte sich in einen Sessel an seinem Kamin, den er lässig mit einem Wink des Zauberstabs entzündete. Unvorsichtig betastete Prof. McDove die Oberfläche des Steins. Seine Oberfläche glänzte im matten Schein des Feuers und doch war er so unförmig und undurchsichtig.
"Hmm ...", dachte er nach und stützte sein Kinn in die Hand, deren Ellbogen auf der Lehne des Sofas stand.
Nanu?
Der Stein schien auf die Wärme des Feuers zu reagieren, denn als er genauer hinsah, erkannte er, dass der Stein ein sanftes Leuchten ausstrahlte, je wärmer er war.
"Das sollte man sich notieren!", grinste Prof. McDove. "Ich bin gespannt, welchen Nutzen du für die Zaubererschaft hast. Wo immer du auch herkommst."
Wenn du jetzt nicht so raffgierig gewesen wärest, dann hättest du Prof. Nocturne über den Kometen ausfragen können!, hörte er eine wiedersprüchliche Stimme in seinem Kopf. Nun ist es zu spät!, machte er sich klar und seufzte. Dann entglitt ihm ein Gähnen.
Wo sollte er den Stein verstauen, wenn er schlief? So etwas Wertvolles konnte man nicht einfach so auf dem Schreibtisch liegen lassen. Er sah sich um und erblickte seine Standuhr ...
Eine gute Idee!, grinste er und hob den Zauberstab.
Mit einem einfachen Zauber war der Stein in einfaches, braunes Packpapier verpackt und in einen kleinen, würfelförmigen Pappkarton gesteckt. Prof. McDove legte das alles in den Pendelkasten der Standuhr.
Ein bisschen fehlt da noch, dachte er und überlegte. Dann schmunzelte er und legte einen kleinen Zauber auf den Pappkarton.
Darauf schloss er die Standuhr wieder, vergewisserte sich noch einmal, dass der Karton durch das Fenster nicht zu sehen war und dann ging er endlich in sein Schlafzimmer und ließ sich in die weichen Kissen seines Bettes fallen, ohne sich noch einmal großartig umzuzuziehen.

Prof. Nocturnes Laune war auf dem Tiefpunkt, als sie wieder in die Räume des Astronomieturmes gelangte, ihre Sachen dort kurz ablegte und es dann doch lieber vorzog in ihre Räume des Lehrerruhebereichs zu gehen.
Dieser verdammte McDove hatte es doch tatsächlich geschafft, ihr die Lust aufs Sternegucken zu vermiesen!
Der Fund des Jahrhunderts! Einfach aus ihren Händen entglitten und in den seinen gelandet! Und vermutlich wusste er noch nichtmal, was er da überhaupt für ein großartiges Wertstück in Händen hielt! Vermutlich wollte er ihn einfach als Briefbeschwerer nutzen!
Egoist! Egoist! EGOIST!!!, schrie sie in Gedanken vor Wut und war kurz davor, das nächstbeste Bild, was auf den Gängen an der Wand hang, runterzuhauen.
Die zwei Damen, die auf den Bildern mit zwei Spinnrädern abgebildet waren, atmeten erleichtert auf, als Prof. Nocturne sich im Zaun hielt und ihrer Wege ging.
Beruhige dich, dachte sie.
Noch ist nicht alles verloren. Theoretisch könntest du ...
Prof. Nocturne hielt inne im Gehen.
Nein, lass! Das ist zu riskant! Diebstahl ist keine Lösung! Du könntest arg in Bedrängnis kommen! Prof. Adelrune würde dich sofort aus Hawkner werfen!
Oder wenn du zu Prof. Adelrune gehst und ihr von deinem Problem erzählen würdest ...?
Prof. Nocturne seufzte und schüttelte den Kopf. Die Schulleitung hatte in solchen Sachen wirklich keinen guten Ruf!
Sie verließ eilig die Eingangshalle durch die Treppe in den Lehrerruhebereich und gelangte endlich in den unteren Korridor. Hier war es immer so schön ruhig, so verlassen, so still.
Niemand wagte sich hierher, außer Prof. Drudenfuß und Prof. Mamba - und ihr selber.
Der düstere Gang, der einst zu den Gemächern des ehemaligen Kollegiums von Hawkner gehörte.
Seufzend öffnete sie die Tür zu ihren Räumen, trat ein, zögerte noch kurz, in der winzigkleinsten Hoffnung, dass vielleicht Prof. McDove es sich anders überlegt haben könnte und hier auf sie wartete. Darauf aber schloss sie die Tür, längst davon überzeugt, dass er bei seinem egoistischem Verhalten blieb.

Ihr bleicher Körper lag dort, unter dem Gestrüpp eines kahlen Busches, mit offenen milchigen Augen, den Mund geöffnet, als würde sie verzweifelt nach Luft ringen. Sie war dazu verdammt, auf ewig in dieser Haltung zu verharren, sollte niemand ihren Körper fortbewegen.
Prof. Shavi Hawkners Körper lag so da, einfach so! Und er selber musste zusehen, wie sich langsam die Maden und Würmer über sie hermachten ...
Prof. McDove fuhr erschrocken aus seinem Traum hoch, schweißgebadet und blickte sich um. Erleichtert musste er nur ein paar Sekunden schauen, um zu wissen, dass er sich in seinem Zimmer befand und das alles nur ein Traum gewesen war.
Ich habe Angst um dich, Shavi, dachte er.
Wo bist du nur? Du darfst nicht tot sein, das weißt du doch ...
Und ich führe schon wieder Selbstgespräche ...
Er schüttelte den Kopf über sich selbst, beruhigte sich noch ein wenig dann drehte er sich einmal um und schlief wieder ein.

Es schien ein Tag wie jeder andere an der Hawknerschule zu werden. Die Schüler hatten sich alle zum Frühstück versammelt. Prof. Adelrune fütterte ihre Nebelkrähe direkt auf dem Frühstückstisch. Worüber Prof. Rasengeier die Nase rümpfte, denn sie sah es nicht gern, wenn die Postboten auf dem Tisch saßen. Prof. Belladonna und Prof. Mamba unterhielten sich über die neuesten Interessen der jugendlichen Mädchen und Jungen. Prof. Tintenklecks hatte Schwierigkeiten ein neues Marmeladenglas zu öffnen und nahm schließlich den Zauberstab zu Hilfe. Prof. Spybird schmollte, weil Prof. Moorghul mal wieder die falschen Worte zur falschen Zeit ausgesprochen hatte.
Und Prof. McDove?
Er saß neben Prof. Tintenklecks mit seinem morgendlichen Milchkaffee und versuchte, sich einigermaßen wach zu kriegen.
Prof. Nocturne war nicht erschienen. Wie so oft nahm sie ihre Mahlzeiten in ihren eigenen Räumen ein, da sie zu ungewöhnlichen Zeiten aufstand. Kein Wunder, sie war ja auch Lehrerin der Astronomie.
"Stimmt etwas nicht, Prof. McDove?", fragte die Direktorin plötzlich.
Prof. McDove hob erstaunt den Blick von seinem Frühstückskaffee zu Prof. Adelrune, die ihn mit ihrer schrägen Stimme aus dem Tagtraum gerissen hatte.
"Nein, alles in bester Ordnung! Wieso?", fragte er.
"Ich sehe Sie jeden Morgen mindestens fünf Tassen von diesem Zeug trinken. Das zahlt sich nicht sehr gut auf die Gesundheit aus, auf die Dauer. Und ich denke, ich will mir die Mühe sparen, bald einen neuen Lehrer für Zaubertränke zu suchen. Was ist los mit Ihnen? Was raubt Ihnen den Schlaf?"
Prof. McDove war noch verblüffter. Seit wann sorgte sich Prof. Adelrune um ihre Kollegen? Andererseits, sie hatte es ja schon gesagt, dass sie sich nicht die Mühe machen wollte, einen neuen Lehrer zu suchen.
"Nichts ... nichts, was hier an den Frühstückstisch gehört", sagte er und trank seine Tasse aus.
"Wollen Sie darüber reden?", fragte Prof. Adelrune. "Wenn Sie mir nicht vertrauen, ich lege gerne einen Schweigezauber auf mich."
Prof. McDove seufzte, musste jedoch fast unmerklich lächeln. "Also gut ... nach dem Unterricht?", fragte er.
"In Ordnung. Wir treffen uns auf dem Hof und drehen dann eine Runde ums Schloss, einverstanden?"
Prof. McDove nickte und wandte sich wieder seiner Tasse zu.

Bevor er zum Unterricht erschien, machte er sich noch einmal auf zu seinen Räumen. Wenn selbst Prof. Adelrune etwas an seinem Auftreten störte, dann musste er wirklich schlimm aussehen. Er stand also nun vor seinem Spiegel, in seinem kleinen Badezimmer und musterte sich von oben bis unten.
Aber ich sehe doch ganz manierlich aus, dachte er.
Was hat die Direktorin an mir auszusetzen?
Er lachte leise. Seine Chefin war auch nicht mehr die Jüngste, aber gut, sollte er ihr nach dem Unterricht Gesellschaft leisten!
Er ging zu seinem Schreibtisch, schweifte mit dem Blick auf seinen eigens erstellten Unterrichtsplan, über den Teppich hinüber zur Standuhr ...
Sie schien so zu sein, wie er sie gestern verlassen hatte, doch er stutzte.
Wenn nun jemand ...
Ach Thomas, das ist doch Blödsinn! Wer sollte so schnell von deinem wertvollen Fund erfahren haben?

Er wandte den Blick wieder auf das Pergament.
Zehn Sekunden später war er verschwunden, war an der Standuhr wiederzufinden und machte sie auf.
Na, siehst du!, lachte er sich selber aus.
Der Karton ist da, so wie du ihn zurückgelassen hattest ...
Er wollte gerade die Tür wieder schließen, da entdeckte er in der anderen Ecke der Standuhr ein Knäuel Papier, was dem, womit er den blauen Stein eingewickelt hatte, verdammt ähnlich sah!
Prof. McDove stand eine Weile da, wie vom Donner gerührt. Dann packte er den Karton, der plötzlich zu winseln begann wie ein Hund - der Wachhund-Zauber, den er letzte Nacht auf die Schachtel gelegt hatte - und riss ihn auf.
"Nicht drin", sagte er feststellend und matt.  Dann breitete sich der Ärger auf seinem Gesicht aus.
"NOCTURNE!"

So früh war Stella Nocturne schon lange nicht mehr auf gewesen, da sie selten eine Nacht ausließ, um in die Sterne zu schauen. Umso früher nahm sie ihr Frühstück ein - nicht ohne vorher ihre schwarzweiße Maske aufgeschminkt zu haben, diesmal einen einzelnden schwarzen Saturn auf ihrer linken Wange und die üblichen schwarz ausgemalten Augenhöhlen. Der Rest war Weiß geblieben.
Sie seufzte. Das üppige Frühstück schmeckte ihr nicht! Nicht, nachdem, was ihr letzte Nacht durch die Lappen gegangen war. Es wurmte sie! Es ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, wie ein Wurm der sich genüsslich durch ihr Hirn fras. Vielleicht sollte sie zumindest ein bisschen an was anderes denken. Zum Beispiel: Wo kam dieser blaue Komet eigentlich her? Aus was bestand er?
War er vielleicht so etwas wie ... ein Omen?
Prof. Nocturne grübelte und der Wurm in ihrem Kopf gab sich zunächst zufrieden ... bis es energisch an ihrer Tür klopfte.
So früh am Morgen und schon Besuch?, dachte sie skeptisch und blickte hinüber. Prof. Mamba und Prof. Drudenfuß waren um diese Zeit doch schon längst in ihren Büros? Und ein Schüler würde sich nicht in den Lehrerruhebereich wagen, schon gar nicht in den unteren Korridor! Wer also konnte es sein?
Als sie öffnete, blickte ihr das wütende Gesicht von McDove entgegen.
"Was wollen Sie denn hier?", fragte sie und setzte eine nicht minder unfreundliche Miene auf.
"Wo ist er?!", knurrte der Professor.
Prof. Nocturne stutzte. "Wer?" Dann dämmerte es ihr ...
"Der Stein ist weg!?", fragte sie.
"Tun Sie nicht so überrascht!", sagte Prof. McDove. Langsam geriet er immer mehr in Rage.
"Sie Idiot haben sich den Stein stehlen lassen?!" Prof. Nocturne konnte es nicht fassen! "Haben Sie denn nicht gewusst, wie wertvoll so ein Stein aus dem All sein kann?!"
"Sie scheinen es ja zu wissen! Also, wo ist er?!"
"Was weiß ich?! Ich habe ihn nicht!" Prof. Nocturnes Stimme wurde so schrill, dass sie sich erst einmal räuspern musste. Sie war es nicht gewohnt, so laut zu reden.
"Das werden wir ja noch sehen!" Prof. McDove zog den Zauberstab und einen erschrockenen Moment lang dachte Prof. Nocturne, er würde sie verfluchen wollen, doch dann:
 "Accio!", sagte Prof. McDove.
Beide standen schweigend da. Nichts passierte und keiner von beiden rührte sich.
Es mussten schon mehrere Minuten vergangen sein, dann steckte der Professor mit hängenden Schultern und einem Seufzer den Zauberstab wieder ein.
"Entschuldigen Sie die Störung ...", sagte er und ging einfach.
Er ging einfach! Sie starrte ihm nach.
Als er die Treppe zur oberen Etage hinaufging und nicht mehr zu sehen war, äffte sie ihn nach: "Entschuldigen Sie die Störung!", leierte sie. "Wie wäre es mit: ‚Entschuldigen Sie, dass ich Sie verdächtigt habe.'?!", meinte sie und knallte die Tür zu.

3. Kapitel - Heimkehr

Der Unterricht war heute nicht Teil von Prof. McDoves Gedanken. Er gab den Jahrgängen leichte Aufgaben, so dass sie wirklich alleine arbeiten konnten und er selbst beschäftigte sich mit der einen und einzigen Frage:
Wer hat meinen Stein gestohlen, wenn nicht Prof. Nocturne? Eigentlich muss sie es gewesen sein! Aber der Aufrufezauber hat nicht funktioniert! Ob sie einen Sperrzauber auf den Stein gelegt hat?
Er schüttelte den Kopf. Um einen Stein richtig untersuchen zu können, würde sie ihn niemals mit einem Zauber belegen. Das könnte die kosmische Zauberei, die dort am Werk war, verunreinigen - so hatte er es jedenfalls mal gelesen.
Als die Unterrichtszeit beendet war, begab sich Prof. McDove zu Prof. Adelrune auf den Schulhof, die schon auf ihn wartete.
Wie verabredet verließen sie den Hof um auf den Ländereien eine größere Runde um das Schloss zu gehen. Dabei nahmen sie den schmalen Kiesweg in Richtung der Hawknergruft und seines Friedhofes.
"Ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe, wenn mich ihre Schlaflosigkeit interessiert ...", sagte Prof. Adelrune.
"Nein", sagte Prof. McDove. "Es ist nur, letzte Nacht habe ich die Kräuter für die bevorstehende Zauberstunde gesammelt."
"Was eigentlich nur einmal im Monat nötig ist und es gibt Wochenenden ...", wandte Prof. Adelrune ein.
"Ich ... ich wollte mich ablenken", nickte Prof. McDove und gab es doch allmählich zu. "Ich habe ... schon lange nicht mehr gut geträumt, das ist alles."
"Was sind das für Träume, die einen starken jungen Mann wie Sie nervös machen können?", fragte die buckelige Hexe.
"Ich weiß nicht ... es sind ... immer die gleichen."
Die alte Hexe kicherte. "Tatsächlich ...?"
Was gibt´s da zu lachen?, dachte er. Trotz alledem nickte er.
"Wovon träumen Sie?"
Er hielt inne und sah sie skeptisch an. Irgendwo hatte er diese Frage schon einmal gehört ...
"Ein Traum ... da sehe ich den Leichnahm einer guten alten Freundin von mir, irgendwo im Hawknerwald vermodern. Sie ist schon lange verschwunden ... und niemand weiß, wo sie abgeblieben ist."
Er hielt inne. Ironischer Weise waren sie gerade auf der Plattform des Friedhofes angekommen und er blickte erschrocken direkt auf die Hawknergruft. Ihm wurde schlecht.
"Soso! Das ist ganz bestimmt nicht schön, da kann ich sie schon mal verstehen! Aber Sie sagten, das wäre ein Traum. Folglich muss es noch mehrere geben."
Erbarmungslos ging Prof. Adelrune weiter, an den einzelnden Gräbern vorbei und beachtete sie nicht einmal. Mit mulmigen Gefühl folgte Prof. McDove, wenn auch wiederwillig. Er wollte kein Hasenfuß sein, auch wenn er diesen Stich im Herzen verspürte!
Hinter dem großen Stein der Hawknergruft ging der Kiesweg auf die Ländereien weiter. "Nein, es war nicht der einzige. Ich habe geträumt, wie kurz vor dem Krieg die Hawknerschule geschlossen wurde. Ich habe geträumt, wie meine Freundin ..."
"Sie reden von der Hexe Hawkner, nicht wahr?", fragte Prof. Adelrune mit skeptisch erhobener Augenbraue und drehte sich ruckartig um, so dass er fast in sie hineinlief.
Prof. McDove stutzte.
Dieses bucklige Scheusal ...!, erkannte er dann.
Wollte sie etwa darauf hinaus?! Wollte sie wissen, ob er sich Shavi, statt Prof. Adelrune auf dem Posten der Schulleitung sehen wollte?! Das musste es sein! Typisch ... Sie interessierte sich gar nicht für ihn! Es ging ihr nur um ihr eigenes Wohl!
"JA! Von der rede ich!", meinte Prof. McDove, ging schnurstrags an ihr vorbei, da er nicht nochmal auf diesen schrecklichen Friedhof wollte, um so dann das Schloss zu umrunden.
"Was haben Sie denn?", fragte Prof. Adelrune im scheinbar listiger Erwartung. "Habe ich Sie gekränkt?"
Prof. McDove antwortete nicht. Er sah nicht einmal zurück auf seinem Weg und merkte so auch nicht, wie ihm Prof. Adelrune folgte.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Prof. McDove das Schloss umrundet hatte. Als er endlich vor dem Eingangstor ankam, blieb er stehen und blickte auf die Landschaft unter dem Hügel. Ja, ihm war es lieber, wenn Prof. Adelrune fort wäre! All das hier war nicht ihr Eigentum, sondern das von Shavi Hawkner!
Sie allein, dachte er! Sie allein ...! Sie all...?, dachte er und er blinzelte.
Weil dort unten am Hügel tat sich etwas. Da kam jemand den Hügel hinauf und wie es den Anschein hatte, war es eine Hexe. Eine Hexe, die ihm bekannt vorkam, sogar verdammt bekannt!
"Nein, das glaube ich nicht ...", sagte er leise.
Er bemerkte nicht, wie Prof. Adelrune sich ein bisschen hinter der nächsten Biegung verbarg und ihn und die herannahende Gestalt beobachtete.
Da lief sie! Direkt auf´s Schloss zu! Ohne Sack und ohne Pack! Sie war einfach nur da, in ihrem wunderschönem schwarzviolettem Umhang. Seine ...
"Shavi ...", sagte er. Er war den Tränen nahe, aber er konnte sich gerade so eben noch beherrschen!
Er lief auf sie zu, schlitterte das Gras hinunter.
Als sie aufsah und ihn entdeckte, grinste sie. "Hey, was für eine Begrüßung!", lachte sie und als sie endlich auf derselben Höhe waren, umarmten sich die beiden Freunde. Wie viel Zeit war vergangen? Wie lange hatte er darum gebetet, sie endlich wieder in die Arme schließen zu können.
Sie lösten sich voneinander und gingen gemeinsam den Hawknerhügel hinauf. Sie wirkten schon fast bei Nahe, als hätten sie sich neu verliebt.
Prof. Adelrune wartete oben auf sie, hatte sich aus ihrem Versteck hervorgewagt und starrte auf sie beide. Sie war mächtig blass geworden, als sie Prof. Hawkner erblickt hatte.
Und Prof. McDove gönnte es ihr. Nicht mehr lange und das Schicksal von Hawkner würde wieder in Shavis Händen liegen! Davon war er überzeugt!
Oben bei der noch(!) amtierenden Direktorin angekommen, schwieg diese.
"Wenn ich vorstellen darf? Prof. Adelrune! Sie hat dich während deiner Abwesenheit würdig vertreten!", sagte Prof. McDove.
Prof. Adelrune blickte auf Shavi.
"Es freut mich, Sie kennenzulernen, Prof. Adelrune", nickte die wesentlich jüngere Hexe ihr zu. Prof. Adelrune zitterte.
"Ist Ihnen nicht gut ...?", fragte Prof. Hawkner.
"Wald ...", sagte die Direktorin auf einmal. "Mir ist eingefallen ... ich brauch noch ein paar Kräuter. Prof. McDove? Sie … kümmern sich um Sie … ja?"
Darauf humpelte Prof. Adelrune den Hang hinunter.
Viele möchten jetzt vielleicht lesen, dass Prof. Khila Adelrune in den Wald hineinhumpelte und niemals mehr gesehen ward ... doch dem war nicht so - leider.

Beim Abendessen wurde Shavi Hawkner den neuen Schülern vorgestellt. Jeder aus dem Kollegium schüttelte ihr die Hand, naja, fast jeder. Prof. Rasengeier war skeptisch und Prof. Tintenklecks war zu schüchtern. Prof. Nocturne, die diese wichtige Information von Schnappsi, dem Hauselfen, erhalten hatte, hatte sich ebenso in die große Halle gewagt.
Sie saß dort auf ihrem Platz, der normalerweise leer war und beobachtete die Frau, die mit ihrem neuem Erzfeind so dick befreundet war.
Sie wird ziemlich umschwärmt, dachte sie.
Kein Wunder, dass McDove ebenfalls um sie herumschawenzelt! Ob sie wirklich so eine gute Schulleiterin war?
"Dein Platz!", sagte Prof. McDove grinsend und deutete stolz auf den großen mit violettem Samt bespannten Sessel, in dem Prof. Adelrune vorher gesessen hatte.
Shavi jedoch schüttelte lächelnd den Kopf und setzte sich lieber daneben. Prof. McDove wunderte sich zwar, zuckte dann die Schultern und setzte sich freudig daneben.
Die ganze große Halle war in Aufruhr, vor allem dann, als plötzlich die Tür erneut geöffnet wurde.
Alle blickten erschrocken auf. Prof. Adelrune war es, die dort stand und sich in der Halle umsah, dann langsam nach vorne zum Lehrertisch schlurfte. Einige Blicke waren voller Mitleid, einige voller Hass, einige wussten nichts mehr mit dieser alten Hexe anzufangen, wie sie da so auf dem Hexagramm der sechs Gründer ging und merkwürdigerweise trotz allem nicht fortgeschleudert wurde.
Vorne angekommen, drehte sie sich zu der Halle um und zu aller Verwunderung grinste sie. "Wie ihr alle wisst, ist ein neues Gesicht unter uns. Prof. Shavi Hawkner, die Erbin der Hawknerschule für Hexerei und Zauberei. Ich würde sagen, sie hat einen großen Applaus verdient, nicht wahr?"
"Ein wahres Wort", rief Prof. Mamba und klatschte als erster, worauf die ganze große Halle folgte.
"Da ich mir aber sicher bin ...", setzte Prof. Adelrune fort "... dass das noch nicht reicht, bin ich der Meinung, dass wir ihr zu Ehren ein Fest veranstalten sollten! Ein Fest zu Ehren der Hawknerfamilie, zu Ehren alter Traditionen! Was sagt ihr dazu?"
Im Nu war die ganze große Halle erfüllt von Jubelrufen.
Prof. McDove sah skeptisch zu Prof. Adelrune.
"Was hast du, Thomas?", fragte Shavi.
"Ich traue ihr nicht ...", sagte er und stierte die noch amtierende Direktorin ernst an, die gerade den Vorschlag machte einen Ball zu veranstalten.
"Vielleicht will sie sich auf diese Weise verabschieden!", sagte Prof. Mamba, der zufällig die Unterhaltung der beiden mitgehört hatte.
"Das kann sehr gut sein!", bestätigte Prof. Belladonna. "Denn, du kannst es nicht leugnen, Thomas! Prof. Adelrune war bisher immer sehr fair geblieben, auch wenn ihre Methoden ... nicht unbedingt die einer ehrbaren Hexe waren."
Prof. McDove nickte und seufzte.
Als er an diesem Abend mit Shavi die große Halle verließ, sagte sie: "Es ist schön wieder hier zu sein."
"Es ist schön, dass du wieder da bist!", betonte er und grinste.
"Was glaubst du, weswegen ich hier bin ...", lächelte sie und schaute verlegen zu Boden.
Prof. McDove reagierte nicht darauf.
Prof. Nocturne, die die beiden beobachtet hatte, schüttelte den Kopf über die beiden. Irgendwas war merkwürdig ... Ihr gefiel es nicht, wie gut die beiden sich verstanden. Immerhin war Prof. Shavi Hawkner sehr lange weg gewesen und niemand wusste, warum.
Und Prof. Adelrune tat ihr Leid.
Plötzlich hatte sie eine Idee ...


Zwischenkommentar:

Das dritte Kapitel ist komisch, ich weiß! Und das ist auch so gewollt. Glaubt mir, das alles wird nachher seinen Sinn ergeben. Man wird sich mit Rowling zwar niemals messen können und mein Stil in dem Kapitel war anstrengend und der wird es im vierten Kapitel wahrscheinlich auch sein, aber spätestens ab dem fünften, da verspreche ich euch, wird sich das wieder ändern! ;-) Ich muss halt nur aufpassen, dass ich nicht in so einen Groschenromanstil abrutsche.
Bah! *schüttelt*

4. Kapitel - Der Ball

Es war eine Woche vergangen. Thomas McDove kam diese Zeit so unwirklich vor, so wunderschön war es, wieder mit seiner alten Freundin reden zu können. Vor allem, er wusste nicht warum, aber es war genau die Shavi Hawkner, die er in Erinnerung behalten hatte. Als wären sie jeden Tag zusammengewesen. So harmonisch verliefen die Unterhaltungen mit ihr.
Als er an dem Morgen aufstand, an dem Tag an dem der Ball stattfinden sollte, blickte er aus seinem Fenster und sah die Ländereien der Hawknerschule vor sich, wie sie im Morgentaunebel schwach erkennbar war. Der See, den man sehr gut von ihm aus sehen konnte, lag dunkel am Fuße des Berges, als lauerte er auf etwas. Genau wie eine Spinne, die in ihrem Netz versteckt wartete.
Ob die Dame vom See sich auch wieder zeigen wird, sobald Shavi wieder Schulleiterin ist?, fragte er sich.
Prof. Adelrune hatte gesagt, sie würde das Ministerium umgehenst informieren, um ihr Lehramt abgeben zu können.
Wenn sie ihr Wort nicht hält, dann kann sie was erleben!, dachte Prof. McDove und ballte die Fäuste. Und ob der Rest des Kollegiums zu seiner Freundin halten würde, daran zweifelte er auch ein bisschen.
Plötzlich fühlte er, wie jemand eine Hand auf seine Schulter legte. Erschrocken fuhr er herum und sah, wie Shavi ihm entgegenlächelte. "Guten Morgen", sagte sie. "Ich habe geklopft, aber es hatte niemand geöffnet. Ich hoffe, ich störe nicht ..."
"Nein nein, keineswegs!", lächelte er. "Möchtest du eine Tasse Tee?"

Prof. Nocturne währenddessen war wieder früh auf den Beinen. Wieder hatte sie keine Zeit an die Sterne verschwenden können. Irgendwas hatte sich verändert bei ihr und sie wusste nicht was. Sie spürte, tief in ihrem Herzen, hatte etwas die Sterne ersetzt und in die Ecke gedrängt.
Vor dem Frühstück hatte sie ihre alte Truhe in ihren Räumen geöffnet und hatte sich so auf eine Art Zeitreise begeben. Darin waren alte Schulsachen verstaut gewesen. Alte Umhänge, Bücher, ein alter Spitzhut, den sie seit Jahrzehnten nicht mehr getragen hatte und ihr nun auch nicht mehr passte und ein alter Zauberstab, den sie von ihrem Großvater geerbt hatte. Ein Kompass, ein ausgefranster Federkiel und ein lila Täschchen mit goldenen Sonnen, Monden und Sternen, indem ausgetrocknete Tintenfässer und ein Enthüller drin waren. Aber all das brauchte sie nicht und sie warf es unachtsam auf ihr Sofa.
Irgendwo muss er doch sein!, dachte sie verbissen. Mein Gott und diese Tüte Eulenkekse muss schon mindestens fünfundzwanzig Jahre alt sein!
Auch diese Tüte landete irgendwo zwischen den im Flug aufgeschlagenen Schulbüchern, die eh nur für sie unnützliche Informationen über Kräuter enthielten. Sie atmete tief durch, griff noch einmal tief hinein in die Truhe und endlich fühlten ihre Hände etwas seidiges und weiches.
Sie grinste und holte es aus dem alten Plunder hervor. Wie lange hatte sie das schon weggesperrt? Sie wusste es nicht, aber es hatte einen Grund gehabt.

Der Abend brach ein. Das Foyer von Hawkner füllte sich langsam allmählich mit bunten Festumhängen und allgemeinem Gebrabbel. Selbst die jüngsten Schüler der ersten Klassen durften teilnehmen; niemand war ausgeschlossen.
Als Prof. Adelrune das Foyer betrat, wurde es ein wenig ruhiger. Ihr Festumhang hatte schon mal bessere Zeiten gesehen, denn der Stoff wirkte an den Säumen durchgeschäuert und das magentafarbene Futter hatte an Glanz verloren. Nichts desto trotz öffnete sie die große Halle mit einem Schwenker ihres Zauberstabs und man durfte endlich eintreten.
Die staunenden Augen der Schüler, die sich bereits dazu entschlossen hineinzugehen, blieben an der Dekoration hängen, denn die Fackeln an den Wänden waren verschwunden. Stattdessen waren Kerzenständer hingestellt worden und an den Wänden waren samtene Behänge angebracht worden, in einem warmen Rotton. Über ihnen schwebten weitere Kerzen, deren Flammen in allen Regenbogenfarben flackerten. Die Haustische waren vor der großen mamornen Tanzfläche zurückgewichen, in deren Mitte das Hexagramm prangte. Alles war in ein romantisches Licht getaucht und warme, samtene Behänge schmückten die Wände.
Dort, wo sonst der Lehrertisch war, waren bereits die Instrumente für die Band, die spielen sollte, aufgebaut worden. Der Name der Band sollte eine Überraschung sein.
Prof. Thomas McDove wartete immernoch im Foyer auf Prof. Hawkner. Ungeduldig und nervös tippelte er mit seinem rechten Fuß nach links und nach rechts, nach oben und nach unten.
Wie sie wohl aussehen wird, dachte er sich. Ob sie wieder diesen violetten Umhang mit der weißen Seidenschleppe tragen würde, genau wie damals?
Noch während des Träumens hielt er inne. Er fühlte sich unangenehmer weise beobachtet und er wandte den Blick hoch zur Treppe in Richtung des Lehrer-Ruhebereichs. Aber da war niemand.
"Hm ..." Er zuckte die Schultern, holte seine Taschenuhr hevor und stellte fest, dass Prof. Hawkner jeden Moment da sein konnte. Er schätzte Pünktlichkeit sehr und das ließ er auch seine Schüler im Unterricht spüren, falls diese eine Aufgabe nicht rechtzeitig ablieferten.
"Thomas", hörte er die sanfte Stimme Shavis, als der große Zeiger seiner Uhr auf die Zwölf sprang, so dass es genau acht Uhr war. Lächelnd hob er den Blick.
Und da war sie, die Haare genau so hochgesteckt, wie vor ein paar Jahren, in ihrem violettem Umhang mit derselben cremeweißen, seidenen Schleppe. Ihm war, als wäre die Zeit seitdem stehengeblieben. Genau so hatte er es sich gewünscht!
Er strahlte. Er war völlig sprachlos. "Wie wäre es, wenn du mir deinen Arm anbieten würdest?", fragte Prof. Hawkner und kicherte.
"Oh ... oh, ja natürlich!", sagte er. "Es ist nur ... du siehst ... einfach fabelhaft aus."
"Danke ... nur für dich", sagte sie und gemeinsam gingen sie dann ebenfalls in die große Halle.
Als auch der letzte Rest schließlich hineingegangen war, wagte sich ein Schatten eines scheinbar unbekannten Gastes die Treppe hinunter und noch bevor die Türen geschlossen wurden, war er bereits eingetreten.
Als Prof. Adelrune vor die Ansammlung der Instrumente trat, stand sie genau in der Mitte des Hexagramms. "Möge das Fest beginnen", sagte sie. "Tanzt, lacht, lasst es euch gut gehen ... doch wie könnten wir dies, ohne auch nur einen einzigen Ton von Musik zu hören.
Begrüßt mit mir mit tosenden Beifall - den diese Band sich eindeutig verdient hat - unsere Gäste!
Begrüßt mit uns die Band Magis Maleficium!"
Das war eine echte Überraschung! Denn diese Gruppe war schon seit Jahren eine der angesagtesten und erfolgreichsten Bands, die Deutschlands Zaubererwelt jemals gesehen hatte. Selbst die jüngsten und die ältesten Ballteilnehmer kannten sie, die Magis Maleficium. Prof. Konrad Drudenfuß gestand Prof. Spybird gerade stolz, dass er ein leidenschaftlicher Plattensammler dieser Band sei, als diese auftrat und zu den Instrumenten griff.
Es wurde ein schnelles Lied angestimmt und die ersten Paare wagten sich auf die Tanzfläche, die älteren Schüler, die mit solchen Dingen wesentlich mehr Erfahrungen hatten. Die jüngeren Klassen blieben an den Tischen, die an den Seiten aufgestellt waren und schauten schüchtern zu.
Bald mischten sich auch die Lehrer unter die Tanzenden. Prof. Moorghul forderte zu aller Verwunderung Prof. Spybird auf, Prof. Mamba bekam einen Korb von Prof. Belladonna, die gleich darauf Prof. Tintenklecks fragte, ob er nicht mittanzen wollte und Prof. McDove und Prof. Hawkner?
Thomas traute sich nicht wirklich, mit Shavi zu tanzen. Schon damals hatte er sich nicht getraut, sie aufzufordern.
Ich bin ein Hasenfuß, schalt er sich selbst in Gedanken. Aber im Gegensatz zum letzten Mal, scheint sie jetzt Verständnis für mich zu haben, dachte er und sah aus den Augenwinkeln zu seiner Begleitung, die lächelnd die Tanzfläche beobachtete und wie mechanisch mit zum Takt zur Musik mitklatschte.
Thomas musste lächeln, doch dann ...
Es war, wie eine Eingebung. Er sah jemanden an ihm vorbeigehen, der seine ganze Aufmerksamkeit zu fordern schien. All seine Sinne wurden von ihr gefangen genommen. Einer schwarzhaarigen Schönheit, die sich fluchtartig durch die Schar der tanzenden Schüler schlängelte und ihr seidiger, braungoldener Umhang raschelte mit ihr. Ein paar Schüler wandten sich verwundert nach ihr um, da sie sie noch niemals in ihrem Leben gesehen hatten.
Mit einem mal war der Name Shavi Hawkner aus Prof. McDoves Hirn wie weggepustet.
Wie in Trance, so schien es, ging er ihr, der einzigwahren, hinterher.
Prof. Hawkner sah ihm nicht nach. Als wäre sie nicht wirklich anwesend, blickte sie auch nicht wirklich auf die Tanzfläche, sondern schien einen Punkt in der Luft zu fixieren.

Die unbekannte Schönheit wollte sich an einen der Tische niederlassen.
"Entschuldigen Sie ...", hörte sie eine leise, zaghafte Stimme, worauf ein Räuspern erklang.
Sie wandte sich um.
Nein, Thomas kannte ihr Gesicht nicht und doch, es war, als hätte er es schon irgendwo mal gesehen. Und diese schönen, goldbraunen Augen ...
"Ich habe Sie hier noch nie gesehen.", sagte er "Was machen Sie auf Hawkner?"
Sie lächelte unsicher und hob dabei die schwarze Augenbraue an. "Vertretung!", sagte sie.
"Wirklich? Wer ist denn krank?", fragte er.
"Noch niemand. Prof. Adelrune meinte, ich gehöre ebenso dazu ..."
"Achso" Prof. McDove nickte matt.
"Aber ich habe Sie hier auch noch nie gesehen. Was machen Sie?", fragte die Hexe.
"Ich unterrichte Zaubertränke und bin Hauslehrer der silbernen Falken.", sagte er und runzelte die Stirn.
"Oh!" Sie tat überrascht. "Das ist mir aber unangenehm! Sie sind bestimmt Prof. McDove. Ich hätte Sie zumindest erkennen müssen!"
"Das macht doch nichts!", sagte er schnell. Er wurde ein wenig rot bei dieser Schmeichelei. Oder war es nicht die Schmeichelei, sondern etwas ganz anderes?
"Es ist ganz schön warm hier drin, nicht wahr? Darf ich Sie zu einem Spaziergang um das Schloss einladen?", fragte er sie.
Wieder hob sie die Augenbraue, lächelte aber dabei.
"Wenn es nicht zu aufdringlich ist ...", fügte er hinzu. Schließlich ließ sie sich überreden.
Als Prof. McDove die Halle mit dieser unbekannten Schönheit verließ, beobachtete Prof. Khila Adelrune die beiden skeptisch, dann jedoch grinste sie. Schnell nutzte sie ihre Chance!
"Professor Hawkner ...?", sagte sie, als sie bei jener angekommen war. "Ich würde mich ganz gerne mal mit Ihnen unter vier Augen unterhalten ..."

Die frische Brise beruhigte Prof. McDove ein wenig, kühlte sein erwärmtes Herz ein wenig ab. Noch nie hatte er einen solchen Menschen getroffen. Sie war unvergleichlich anmutig und benahm sich, als wäre sie eine Hexe aus uraltem Zaubereradel. Ihr seidener Festumhang glänzte im Schein der aufgestellten Fackeln, die den Kiesweg um das Schloss herum erhellten.
"Erlaubt Ihre Begleitung das denn, dass wir spazieren gehen?", fragte sie.
Schnell versuchte er woanders hinzusehen, weil er sie etwas intensiver gemustert hatte. "Eh ... ja, sie hat Verständnis dafür", sagte er, auch wenn er sich momentan nicht so sicher darin war. Aber im Grunde wünschte er es sich von Shavi, denn nach all den Jahren durfte sie so etwas gar nicht von ihm verlangen!
"Tatsächlich? Von einer festen Gefährtin erwartet man so etwas doch eigentlich?"
Nun war er wirklich verlegen.
 "Sie ist nicht meine Gefährtin ... Sie ist nur eine Freundin!"
Die Vertretungslehrerin schien zu stocken, als sie das hörte.
"Ist was nicht in Ordnung?", fragte er.
"Doch doch, alles ... wirklich alles in bester Ordnung!", lächelte sie und schien auf die Landschaft zu sehen.
"Was ist mit Ihnen?", fragte er.
"Nichts ..." Sie wandte sich wieder um, schüttelte den Kopf und lächelte.
"Hmm", Prof. McDove dachte nach, wie er das Gespräch wieder in die geregelten und weniger unangenehmen Bahnen lenken konnte. "Ich schätze Prof. Hawkner mehr als Freundin, wissen Sie? Eine Beziehung, ich nehme an, dass Sie das meinten, wäre bei uns einfach nicht möglich, da wir eher über sachliche Dinge reden." Die Unbekannte nickte nachdenklich. Ihr schien die Unterhaltung unangenehm zu werden.
"Haben Sie Freunde auf Hawkner?"
"Freunde ...", wieder stockte sie. "Eh ... welcher Art?"
Was ist nur mit ihr los?, dachte er. Gehe ich zu weit?
"Naja, Freunde eben. Freunde die Ihnen helfen. Freunde, die Ihnen zur Seite stehen, sie unterstützen, für sie da sind, wenn Sie Kummer haben. Dieser Art."
Sie blieb stehen, wandte sich um und sah ihn traurig an. "Bisher leider nicht."
Prof. McDove lächelte verständnisvoll, was sie allerdings noch scheuer werden ließ, denn wieder blickte sie weg.
"Nun ... dann ... wie wäre es, wenn wir Freundschaft schließen würden?"
"Ich ... eh ..." Sie sah ihn an, traurig. Dann wollte sie fortlaufen, doch er hielt sie plötzlich und sachte fest. Er hatte gesehen, dass ihr die Tränen gekommen waren.
Er sah ihr in die Augen und sie blickte ein wenig erschrocken in die seinen. Wo hatte er diese warmen, goldbraunen Augen nur schon einmal gesehen?
Er war so vertieft in ihre Augen gewesen, dass er nicht bemerkte, wie sich schnell von ihm löste und zum Schloss zurückeilte. 
Er erwachte aus seiner Trance und sah verwirrt drein. War ich zu aufdringlich?, dachte er. Ich wollte ihr doch nichts Böses ...

Als die Hexe durch das Foyer lief und die Treppe hinaufstieg, beschimpfte sie sich selbst in Gedanken.
Stella Nocturne, du bist ein Idiot, auf diesen Egoisten hereinzufallen! Wie konntest du nur so schwach werden?!

5. Kapitel - Der Stein

Als Prof. McDove wieder in der Halle war, sah er sich mit einem kleinem Fünkchen Hoffnung nach der unbekannten Schönheit um, aber sie war nicht da. Seufzend setzte er sich an den Platz, wo vorher Prof. Hawkner gesessen hatte.
Er beobachtete, hörte der Band zu, die gerade eine Ballade über alles Leid der Welt sang, doch ihn ergriff der Text nicht. Er war gar nicht wirklich am beobachten. Er war nur vertieft in seine eigenen Fragen, so sehr, dass er gar nicht erst nach Antworten suchen konnte.
Dann endlich fiel ihm doch etwas auf, und er hob den Kopf von seinen nachdenklich gefalteten Händen. Wo war eigentlich Shavi abgeblieben?
Er spähte weiter nach ihr und merkte, dass auch Prof. Adelrune nicht beim Fest war. Thomas McDove ahnte Schlimmes und er stand sofort wieder auf.

Prof. Adelrune ging eine schmale Wendeltreppe hinunter, die zu den Kerkern führte. Jedoch hielt sie inne und hob den Kopf zu Prof. Hawkner, die ihr nur zögernd folgen wollte.
"Ich habe gehört, in Ihrer Kindheit haben Sie die Kerker oft besucht, Prof. Hawkner", meinte die alte Hexe.
"So?" Prof. Hawkner sah sie an. "Wenn Sie es sagen?"
Prof. Adelrune lächelte schief, dann setzte sie ihren Weg hinunter fort.
"Was wollen wir eigentlich hier unten?", fragte Prof. Hawkner, als sie unten mit der noch amtierenden Schulleiterin angekommen war.
Es war sehr dunkel und kühl. Man sah kaum eine Hand vor Augen.
"Flamare Fax!", sagte Prof. Adelrune und hob ihren Zauberstab an, so dass viele kleine orange Feuerbälle aus ihrem Zauberstab flogen, die sich auf die uralten Fackelstäbe an den Wänden verteilten.
"Das werden Sie gleich sehen, meine Liebe. Nur Geduld."

Währendessen erwischte Prof. McDove ein junges Päarchen aus dem sechsten Jahrgang, welches sich im Schatten der Foyertreppe verborgen hatte.
"Entschuldigen Sie die Störung ... ich will nicht unhöflich sein, aber haben Sie Prof. Adelrune oder Prof. Hawkner gesehen?"
Das Mädchen war entsetzt in den Schatten zurückgewichen, während der Junge - ein Schüler aus seinem Haus, wie Prof. McDove erkannte - stockend antwortete: "Die sind ... die Treppe hoch gegangen, mehr habe ich nicht gesehen."
"Danke sehr", nickte er ihm zu, dann jedoch hielt er immernoch inne und flüsterte ihm zu: "Mein Kompliment, Ihre Begleitung sieht wirklich reizend aus."
Verblüfft sahen ihm die beiden hinterher, wie er eilig die Treppe zum Lehrer-Ruhe-Bereich hinaufging.

Prof. Adelrune ging weiter, mit Prof. Hawkner im Schlepptau. Überall lagen Stückchen alter Holzbalken herum, die mal Teil der Stützen gewesen waren, die die Mauern des Schlosses aufrecht erhielten. Staubweben wehten, durch einen undefinierbaren, kalten Luftzug. Irgendwo schien ein Ausgang an die frische Luft zu sein.
Die alte Hexe fröstelte, ließ es sich aber nicht anmerken. Ihr Ehrgefühl ließ das nicht zu. Aber die junge Hexe, Prof. Hawkner, die noch leichter bekleidet war, als sie, verzog ebenso keine Miene. Es war tatsächlich so, als wenn es für sie diese Kälte nicht gäbe. Und noch etwas war auffällig und innerlich gratulierte sich Prof. Adelrune zu dieser Feststellung. Prof. Hawkner oder wer immer diese Frau auch war, schien sich in den Kerkern das erste mal zu bewegen!
"Die Schüler durften hier nicht runter, weil wir Angst hatten, sie würden sich verlaufen" Prof. Adelrune warf einen Blick zurück zu Prof. Hawkner.
"Das ist gut", nickte diese und folgte weiter, den mit Fackeln erhellten Gang entlang, an einzelnden, noch nie benutzten Zellen vorbei.
Endlich kamen sie dort an, wo Prof. Adelrune eigentlich hingewollt hatte. Sie führte Prof. Hawkner zum Ende des Ganges, an dem ein alter Schrank aus Ebenholz stand. Darin war Geschirr aufgestellt, welches aus chinesischem Porzellan bestand.
Prof. Hawkner wirkte verwirrt und Prof. Adelrune grinste sich eines zurecht. Sie wusste genau, was das für ein Schrank war! Aber ob Prof. Hawkner das auch wusste?
"Was ist mit Ihnen?", fragte Prof. Adelrune. "Wir haben alles aufgehoben, was Ihnen gehört!"
"Ah.... achso! Ja natürlich, dafür danke ich Ihnen!", sagte die junge Hexe und wollte auf den Schrank zugehen und ihn begutachten.
Prof. Adelrune seufzte und verdrehte die Augen.
"Schluss mit diesem blöden Spiel, meine Liebe! Ich weiß genau, dass Sie nicht Prof. Hawkner sein können! Raus damit! Was hatten sie gedacht, dass Sie mit dieser Identität anstellen können?!"
Erschrocken wandte sich Prof. Hawkner um. "Was?! Wovon reden Sie? Natürlich bin ich Shavi Hawkner?!"
"So? Und wer ist Ihr Lebensgefährte?"
"Thomas McDove natürlich!", sagte sie.
Prof. Adelrune kicherte, laut und herablassend. "Natürlich! Klar! Thomas McDove, das Milchgesicht! Niemals!"
"Woher wollen Sie wissen, was ich fühle?!" Entsetzt sah die vermeintliche Prof. Hawkner ihr entgegen.
"Ich weiß nicht, was Sie fühlen. Aber es gibt einen Grund, warum ich etwas weiß, was Sie nicht wissen! Und nun zeigen Sie ihr wahres Gesicht!!!"
Kraftlos knickten die Beine unter Prof. Hawkner weg. "Ich bin Shavi Hawkner ...", behauptete sie wieder. "Das, was Sie behaupten ist doch völlig ver ..." Jeh hielt die falsche Shavi Hawkner inne und dachte nach. Plötzlich lächelte sie skeptisch, senkte den Kopf und lachte.
 "Nur wenn Sie mir Ihres zeigen!"
"Ich denke, ich darf diese Worte als Geständnis deuten!", kicherte Prof. Adelrune und beide klangen während dieser Handlungen, als hätten sie nicht alle beisammen.
So deutete auch ein Außenstehender diese Situation.
Langsam zog Prof. McDove seinen Zauberstab.
"Stupor!", rief er und ein roter Blitz schoss auf Prof. Adelrune zu. Sie jedoch hatte die Situation schnell erkannt und wich erstaunlich geschickt für eine buckelige Hexe aus.
Prof. McDove knurrte, erfasste jedoch die Gelegenheit zu Shavi zu gehen und ihr aufzuhelfen.
"Was haben Sie mit ihr gemacht?!", bellte er Prof. Adelrune an. Er  nahm die völlig entkräftet wirkende Shavi in die Arme. Dies schien ihr ein wenig von ihrem Mut wieder zurückzugeben, denn sie hob den Kopf wieder.
Prof. Adelrune schüttelte den Kopf. "Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so leicht auf eine Illusion reinfallen, McDove! Sehen Sie sich das viel zu junge Ding doch mal an! Keinen Tag älter ist sie geworden, Ihre Shavi! Eine Lüge halten Sie in den Armen! Eine Lüge! Sie ist nicht Prof. Hawkner!"
"Was reden Sie da?!", knurrte Prof. McDove.
"Thomas ...", sagte Shavi und sah ihn traurig an. "Irgendwas ist anders an dir. Was ist?"
Verwirrt sah er in die Augen von Shavi und sie streichelte seine Wange. Erneut kam ihm die Situation so unwirklich vor, so als dürfte es sie gar nicht geben. Prof. Adelrune stand tatenlos vor ihnen und tat nichts, während Shavi ihm immer näher kam.
Als sie Thomas küsste, war das erste, was er dachte, wie es wohl sein würde, wenn er die unbekannte Schönheit geküsst hätte. Warum musste Shavi ihn ausgerechnet jetzt küssen?
Und so löste sie sich von ihm, sah ihn jedoch weiter an.
"Nein", seufzte sie und senkte den Kopf. "Prof. Adelrune hat Recht. Ich bin nicht Shavi Hawkner."
"Was?", fragte Prof. McDove und sah Shavi verwirrt an. "Was redest du da? Lass dir so einen Blödsinn doch nicht einreden!"
Die blasse Gestalt der Erbin von Hawkner zitterte. Aber je mehr er sie ansah, musste er feststellen, dass Prof. Adelrune Recht hatte. Warum war es ihm nicht aufgefallen, dass Shavi sich keinen deut verändert hatte? Hatte er es sich so sehr gewünscht, dass er diese Tatsache einfach übergangen hatte?
Zaghaft hob er ihr Gesicht an. Sie weinte. Aber es gab etwas, was Thomas McDove irritierte. Die schmalen, feucht Rinnsahle, die ihr die Wangen hinunterliefen, waren nicht etwa glänzend und durchsichtig, sondern von einem sattem undurchsichtigen Blau.
"Erinnerst du dich an die Sternschnuppe, die du im Wald gefunden hast?", fragte sie. "Der blaue Stein?"
Prof. McDove nickte.
"Dieser Stein Thomas, das bin ich ..."
Die Gestalt Shavi Hawkners wich aus seiner Umarmung und stand auf. Thomas beobachtete sie, fassungslos über sich selbst, fassungslos über das, was nun passierte.
Prof. Shavi Hawkners Gesicht begann zu bröckeln, als hätte man blauen Stein mit bunten Farben angemalt. Ihr Gesicht fiel in sich zusammen, wie eine Lawine aus blauem Sand.
Als der Sand zu Boden fiel, wirbelte er wieder auf. Er sammelte sich, bis plötzlich blaues Licht von ihm ausging. Es erhellte den ganzen Raum, übertönte sogar Prof. Adelrunes orangerote Fackeln, dass diese für kurze Zeit schwarz erschienen. Und schließlich sah Prof. McDove den blauen Stein wieder, von dem er geglaubt hatte, dass er ihm gestohlen worden war.
Eine Stimme wie aus weiter ferne sagte: "Ich bin dein Wunsch, Thomas. Deine Sternschnuppe, die dir deinen Wunsch erfüllen wollte. Aber Shavi ist dir näher als du denkst, Thomas. Dennoch, sie ist längst nicht mehr Teil deines Wunsches."
"Aber das verstehe ich nicht!"
"Sei ehrlich zu dir selbst, Thomas ... Leb wohl!"
Der Stein schwebte fort. Thomas sah ihm kurz nach, dann jedoch stand er schnell auf und wollte ihm nacheilen.
"Warte!", rief er. "Wo ist Shavi!? Sag es mir, bitte!"
Prof. Adelrune sah den beiden nach. Sie wunderte sich nicht im mindesten, darüber, was hier geschah. Für sie war es die Lösung für dieses ganze verkorkste Spiel.
Der Stein beschleunigte seinen Flug, den Kerkergang entlang, die Wendeltreppe hinauf zum dunklen Korridor des Lehrer-Ruhebereichs, wo er durch das nächste Fenster entschwebte.
Als Thomas ihm nachgehetzt kam, und an das selbige Fenster gelangte, sah er nur noch, wie eine blaue Sternenschnuppe am Sternenhimmel vorbeiflog und verschwand.

6. Kapitel - Zur tanzenden Vettel

Es waren mehrere Wochen vergangen, seit dem Prof. Hawkner erneut spurlos verschwunden war, zumindest lautete so die Kunde, die überall im Schloss verbreitet wurde. Alle waren sich sicher, dass Prof. Adelrune dort ihre Finger im Spiel hatte, aber niemand traute sich etwas zu sagen. Aber ausgerechnet Prof. McDove, der sich vorher so intensiv dafür angargiert hatte, dass Prof. Hawkner zurückkehrte, sagte ebenso kein Wort. Nein, er schien sehr einverstanden mit der Situation zu sein.
In seinem Unterricht merkte man ihm an, dass es ihm schlecht ging, dass er nicht bei der Sache war. Die Schüler merkten das, denn ihre Aufgaben wurden immer mit denselben Noten bewertet, egal wie sehr sie sich auch anstrengten. Selbst, als jemand die Klasse nicht betrat, wurde das von Prof. McDove nicht bemerkt, ob dieser jemand nun im Krankenflügel war oder schwänzte.
Es war an einem regnerischem Freitagnachmittag, als sich schließlich Prof. Mamba an Herz fasste, um mit Prof. McDove zu reden.
Er fing seinen Kollegen nach dem Unterricht in Zaubertränke an der Tür ab.
"Thomas! Gut, dass ich dich erwische."
Verwundert sah dieser ihn an, mit noch dunkleren Augenringen, als er sowieso schon gehabt hatte. Prof. Mamba beunruhigte das umso mehr.
"Können wir reden?", fragte er.
"Wenn es sein muss? Worum geht´s denn?", fragte Prof. McDove.
"Das wirst du sehen! Also?"
"Mmmpf", machte sein Kollege, nickte aber dann.
Er folgte Prof. Mamba in dessen Räume, in den unteren Lehrerbereich mit dem dunklen Korridor.
Prof. Nocturne ging schweigend an ihnen vorbei und schien den beiden keine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Sehr früh, für den Astronomieunterricht, dachte Prof. McDove skeptisch, bis er bemerkte, dass sie die erste Person war, die er neben Prof. Mamba heute wirklich angeschaut hatte. Langsam zwang er seinen Kopf, den er gedanklich unter dem weichen, dunklen Kissen trauriger Erinnerung versteckt hatte, wieder hochzuschauen.
Er war noch nie in Prof. Mambas Zimmer gewesen und begann das Zimmer zu mustern. Es war alles sehr exotisch eingerichtet, von den afrikanischen Masken an den Wänden, bis Bongos, die in einer Ecke platziert waren und bestimmt schon seit Jahren nicht mehr angerührt wurden und zu gemütlichen Möbeln, die mit braunen Batikstoffen bespannt waren. Ein runder Couchtisch, der eigentlich kein Tisch war, sondern eher eine Vertiefung für magisches Feuer oder Ähnliches, stand zu den Füßen der Möbel.
An einer Wand, die gegenüber von Prof. Mambas Balkon war, war eine Holztafel angebracht, auf der Malereien eines eingeborenen Volkes eingeritzt waren. Das Licht von draußen warf sich also immer auf diese Tafel.
Die Menschen mit Speeren, Strichmännchen - anders konnte Prof. McDove diese Figuren nicht benennen, die dort drauf abgebildet waren, hatten ihre Waffen erhoben gegen eine große schwarze Schlange, die sich in einer Ecke des Bildes eingedreht hatte. Sie war das einzige, was sich auf dieser Malerei bewegen konnte.
"Eine alte Schnitzerei der Aboriginies aus Australien", erklärte Prof. Mamba, der Prof. McDoves Blick bemerkt hatte.
Prof. McDove nickte kurz, dann setzten sie beide sich auf die Batikmöbel.
Natürlich wusste er von seinem Kollegen, dass dieser sich total fanatisch mit Australien beschäftigte, obwohl er ja eigentlich Afrikaner war. Vielleicht fand er in Australien so etwas wie eine Verwandtschaft mit Afrika wieder, wenn man sich die Kulturen beider Länder einmal genauer ansah.
Plötzlich begann eine der afrikanischen Masken, die über ihnen an der Wand hingen, an zu singen. Irgendwas afrikanisches, was Prof. McDove nicht verstehen konnte.
Prof. Mamba verdrehte die Augen und stand wieder auf.
"Ich schätze dein Ständchen sehr, aber würdest du es bitte auf ein andernmal verschieben?"
Die Maske stoppte kurz und sah ihn mit ihren leeren Augen an. Dann sang sie weiter.
"Aufhören!", wiederholte Prof. Mamba. Die Maske hörte wieder nicht.
"Gut, bitte! Du hast es nicht anders gewollt!" Prof. Mamba holte die Maske von der Wand und drehte sie um, sodass ihr Gesicht zur Wand zeigte. Sogleich hörte die Maske auf zu singen, als ihr Gesicht gegen die Wand gepresst wurde.
"Entschuldige bitte ...", sagte Prof. Mamba und setzte sich wieder. "Diese Maske ist manchmal besonders ... bockig."
Erneut nickte Prof. McDove, schwieg jedoch weiterhin.
"Also, Thomas ... ich wollte mit dir reden, weil ich mir Sorgen um dich mache."
Skeptisch sah der Zaubertranklehrer ihn an.
"Das tun wir alle!", festigte Prof. Mamba seine Worte. "Es ist nicht zu übersehen, dass du ... naja, seit Prof. Hawkner hier war und dann einfach wieder verschwunden ist, dass du ein noch viel größeres Wrack bist, als vorher."
Prof. McDove senkte den Kopf. 
"Hör mal, Thomas ...", meinte sein Kollege und dieser hob seine Stimme dabei, weil er sah, was er mit der Erwähnung vergangener Vorfälle anrichtete. "Es ist nicht gut, wenn du dich so sehr auf einen einzigen Menschen in der Welt ..."
"DARUM GEHT'S MIR DOCH GAR NICHT!!!", knurrte Prof. McDove und hob ruckartig den Blick. Er sah seinen Kollegen wie eine knurrende Bestie an, die in ihrem Schlaf gestört wurde.
Prof. Mamba war zurückgewichen, aber nur kurz, denn nun stutzte er.
Prof. McDove atmete tief durch und lehnte sich ins Sofa zurück.
"Entschuldige, Sydney", sagte er und seufzte. Er schwieg eine Weile, nachdem Prof. Mamba ihm schnell verziehen hatte. Immerhin, dieser wusste auch nicht, wie er sich in der Situation fühlen würde.
"Es ist etwas passiert, was du mir sowieso nicht glauben würdest. Und ich trauere Prof. Hawkner auch nicht nach, weißt du? Ich ... mache mir einfach nur Sorgen."
"Aber du hast doch gesehen, dass es ihr gut geht oder nicht?", fragte Prof. Mamba.
"Wie gesagt, du wirst es mir sowieso nicht glauben", lächelte Prof. McDove traurig und in Gedanken versenkte er seinen Kopf wieder in schwarze Kissen.
Aber das ließ sein Kollege nicht zu.
"Vielleicht solltest du dich ablenken. Auf andere Gedanken kommen!"
"Und wie?", fragte Prof. McDove.
Prof. Mamba grinste. "Wie wäre es mit was zu Trinken, in der tanzenden Vettel? Ich lade dich ein?"
"Na, ob das die Lösung ist?", fragte Prof. McDove ungläubig. Die tanzende Vettel war das Wirtshaus im Dorf "Am Falkenberg", wo jeden Abend gesungen, getrunken und gefeiert wurde, zumindest zu Prof. Hawkners Zeiten.
Sich mit Alkohol die Kante geben, das fehlt mir gerade noch, dachte Prof. McDove.
"Oh! Nein! Thomas!", lachte Prof. Mamba und schüttelte den Kopf. "Ich wollte dich nur überreden, wieder unter die Menschen zu gehen! Der Unterricht zählt nicht, weil es deine Pflicht ist, dort zu erscheinen."
"Hmhm." Prof. McDove musste lächeln. Prof. Mamba hatte wirklich Recht. Er sollte wieder unter Menschen kommen.
"Also was ist nun?", fragte sein Kollege. "Auf ein Bier oder zwei, aber der Rest ist deine Sache."
Prof. McDove nickte, halb weil er sich überredet fühlte und halb, weil er nicht miterleben wollte, wie Prof. Mamba ihn drängte.
 "Gehen wir."

Als Prof. Nocturne an diesem Nachmittag im Astronomieturm angekommen war schlug ihr Herz immernoch schneller als sonst. Was war nur mit ihr los? War es der Umstand, dass Prof. McDove unerwartet den unteren Korridor entlang gegangen war?
Es war, als wäre er plötzlich aufgewacht, als er sie gesehen hatte, was ihren kurzen Schrecken nur noch vergrößert hatte. Ob er sie letztendlich doch erkannt hatte?
Aber sie hatte doch keine Angst vor ihm! Warum also kümmerte es sie?
Die Tatsache, dass Prof. McDove einfach nur ein sehr netter, aufmerksamer Mensch war, wenn er es auch wollte, hatte ihr ein sehr schlechtes Gewissen verabreicht. Zuerst hatte sie mit dieser Verkleidung auf dem Ball bezwecken wollen, dass er sich von Prof. Hawkner entfernte.
Ihr war nicht gut, als sie dabei an die Zukunft gedacht hatte, mit der Vorstellung, Prof. McDove, ein egoistischer Alchemist und hochmütiger Zauberer könnte mehr Einfluss auf die Schule haben, als ihnen allen lieb war! Es ... es hatte ihr einfach nicht gepasst!
Verdammt nochmal! Und jetzt weißt du nicht mal mehr den vernünftigen Grund, warum du das überhaupt durchziehen wolltest!, dachte sie.
An dem Abend hatte sie sein wahres Ich gesehen, einfühlsam und zuvorkommend war es.
Und er hatte sie an einem empfindlichen Punkt getroffen, was sie sich erst ganz spät in der Nacht eingestehen musste. Oder ob er sie von vorneherein durchschaut hatte?
Sie konnte ihm nicht trauen. Warum eigentlich?
Weil er dir auch nicht vertrauen kann, Stella, sagte diese lästige Stimme.
Du hast mit ihm Verstecken gespielt und ihm das brave damenhafte Benehmen von vor vielen Jahren vorgespielt, das dir, seit du stehen und laufen kannst, antrainiert wurde!
Sie hielt inne. Hör auf daran zu denken, mahnte sie sich kurz vor dem Kern ihres Verhaltens.
Das wirbelt nur unnötigen Staub auf.
Also kehrte Prof. Nocturne mit ihren Gedanken in ihr Astronomieklassenzimmer zurück und das erste, was ihr ins Auge fiel, war das Buch über Kometen von einem berühmten Astronomen, was sie sich schon vor Tagen aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, aber noch keine einzige Zeile angefangen hatte. Sie würde es nach ihrer Sitzung am Teleskop mitnehmen und vor dem Schlafengehen noch lesen.

Es war später Abend in "Am Falkenberg" und die Läden wurden geschlossen. Aber in einem Gebäude war noch Betrieb und das war in dem Wirtshaus "Zur tanzenden Vettel".
In einer Ecke wurde eine traurige irische Melodie auf einer Violine gespielt. Gedämpftes Licht erleuchtete den Laden, welches von einem Kamin und schwebenden Kerzen kam. Der Wirt war sehr hin und hergerissen, zwischen der Tatsache, dass er bald Urlaub machen konnte und dass er selten so wenig Kundschaft gehabt hatte, wie in letzter Zeit. Es waren zwar Leute da, aber sie waren nicht sehr fröhlich, als bestünde immernoch ein Nachklang des Krieges, der das ganze magische Europa in einen tiefen Sog aus Pessimissmus gezogen hatte. Früher hatte man hier Fast Folk Musik gespielt, man hatte getanzt, man hatte viel getrunken und das Leben genossen.
Prof. Mamba wunderte sich, als er mit Prof. McDove eintrat. "Oh man! Mit ‚unter Menschen kommen', das wird wohl nicht wirklich was", sagte er.
"Das macht nichts! Mir geht es trotzdem schon besser", sagte sein Kollege dankbar und setzte sich mit ihm an den Thresen.
Sie bestellten Bier, wie verabredet und begannen über alles mögliche zu reden. Ab und zu hielt Prof. McDove inne und hörte nicht Prof. Mamba, sondern dem einsamen Geiger in der dunklen Ecke zu. Ein Stück, das kannte er noch von früher, The Trees, they do grow high hatte seine Shavi mal sehr gerne gemocht.
Hör auf!, schalt er sich selbst.
Prof. Mamba hat dich nicht hierher mitgenommen, damit du ihr nachtrauerst! Lebe endlich wieder, Thomas!
"Sag mal, Thomas! Nehmen wir mal an, ich würde dir glauben, was du mir erzählen wolltest. Was ... hättest du mir denn erzählt?", fragte Prof. Mamba auf einmal.
Thomas sah ihn skeptisch an. Es gab genau zwei Möglichkeiten, nein, drei Möglichkeiten, wie sein Kollege reagieren würde.
1. Er würde ihn für verrückt erklären.
2. Er würde sagen, dass er das alles nur geträumt hatte
3. Er würde ihm tatsächlich glauben ...
"Na gut, aber vergiss nicht! Ich habe keinen Grund zu lügen ..."
Und so erzählte Prof. McDove die Geschichte von Anfang an, von der blauen Sternschnuppe bis hin zu dem Punkt, wo Prof. Adelrune Prof. Hawkner als Wunschtraum entlarvte - als seinen Wunschtraum.
Nachdem er geendet hatte, nahm Prof. Mamba einen großen Schluck aus seinem Krug. Dann sagte er: "Und dieser Stein hat es tatsächlich geschafft uns allen etwas vorzugaukeln?"
"Du glaubst mir also?", fragte Prof. McDove.
"Wieso sollte ich nicht. Denn jetzt, wo du diese Geschichte so erwähnst, ist mir einiges klar. Prof. Hawkners merkwürdiges Verhalten, ihr Verschwinden, der Grund, warum die Presse noch nichts erfahren hat!"
Er nickte und sie schwiegen eine Weile.
"Sydney, ich glaube, ich muss dir danken", seufzte Prof. McDove.
"Nicht doch! Ich weiß doch, wie du dich fühlst!", grinste Prof. Mamba und schlug ihm auf die Schulter.
"Ach wirklich?", fragte Prof. McDove und verengte die Augen verschwörerisch zu Schlitzen. Er war ganz Ohr. "Warum denn?"
"Eh ... noch ein Bier?" Prof. Mamba wollte ablenken.
"Nichts da! Erzähl! Jetzt bist du dran!"
"Ein anderes mal", meinte er noch und gab ihm an diesem Abend noch mehrere Krüge aus. Die Violine hatte längst aufgehört zu spielen. Der vermummte Geiger ging hinaus, an den beiden Lehrern vorbei und wünschte ihnen im Stillen einen fröhlichen Kater für den nächsten Morgen.

7. Kapitel - Begegnung im Turm

Prof. McDove und Prof. Mamba stützten sich spät in der Nacht lachend und scherzend aneinander, als sie gemeinsam den Weg zurück nach Hawkner antraten oder besser: antaumelten. Es waren so einige Krüge Bier mehr gewesen, als sie erwartet hatten.
"Oh man, bin ich pleite!", gluckste Prof. Mamba.
"Selber Schuld! Hättest mich ja nicht mitschleppen brauchen!", antwortete Prof. McDove und stützte sich etwas mehr gegen seinen Kollegen, sodass sie bei Nahe ins nächste Gebüsch stolperten. Sie lachten so sehr, dass sie bei Nahe weinen mussten, dann aber wurden sie allmählich wieder vernünftig, da die kühle Nachtluft beruhigend auf ihre Gemüter wirkte und rappelten sich auf; in Prof. Mambas Falle mit jedermenge Laub in seinen dunklen Rasterlocken.
Prof. McDove war sich vor allem in einem sicher: Heute Nacht würde er herrlich gut schlafen! Und vielleicht würde er ja auch von der Vertretungslehrerin träumen ...
Da fiel ihm etwas ein!
"Sag mal, Sydney, kennst du eine Vertretungslehrerin auf Hawkner? Dunkelhaarig, schlank, einen Kopf kleiner als du ..."
"Häh? Nee ... Prof. Adelrune hat keine Vertretungslehrer bisher eingestellt gehabt, soweit ich weiß."
"Nich?"
"Nee!"
"Oh ...", meinte Prof. McDove und senkte nachdenklich den Kopf.
"Sicher?", hakte er nach und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen.
"Jupp!"
"Wirklich?"
"Wirklich wirklich! Warum?", fragte Prof. Mamba und entdeckte ein Laubblatt, welches gerade vor seiner Nase hinuntersegelte.
"Och ... nur so ...", seufzte Prof. McDove. Die unbekannte Schönheit war wahrscheinlich auch nur ein Teil seines Wunschtraumes gewesen. Aber seit wann wünschte er sich, zwei Frauen zu haben? Shavi und sie? Das passte doch nicht zusammen!
Prof. McDove schüttelte ungläubig den Kopf und blickte während sie allmählich die Spitze des Hawknerhügels erreichten, hinauf zu den Sternen.
Als wäre die Zeit mit Shavi nur ein Traum gewesen! Aber wieso fällt es mir so schwer zu glauben, dass die andere auch nur ein Wunsch von mir war?
Er konnte sich keinen Reim darauf machen.
"Wo bleibst' denn?", fragte Prof. Mamba, der bereits das Tor erreicht hatte.
"Geh schon mal vor. Ich ... ich hab noch was zu erledigen", sagte Prof. McDove, der soeben einen Entschluss gefasst hatte.
Prof. Mamba nickte, zuckte die Schultern und begab sich in seine Räume, während sein Kollege zu den Unterrichtskorridor ging, bis zum Ende, wo sich die Tür zur Treppe des Astronomieturmes befand.
Es war eine hoffnungslose Idee, die er da hatte. Aber wenn und auch nur wenn er das Glück hatte, noch eine Sternschnuppe zu entdecken und sich etwas zu wünschen, dann könnte er diesem Wunsch vielleicht all die Fragen stellen, die er bei dem anderen versäumt hatte. Und dann musste diese Sternschnuppe wahrscheinlich auch noch blau sein! Also war keine Zeit zu verlieren.

Prof. Nocturne war bereits in ihrem Zimmer, hatte ihre schwarzweiße Maske abgeschminkt. An diesem Abend sah sie noch etwas länger in den Spiegel.
Aber dieses Gesicht, was ihr dort entgegensah, das war sie einfach nicht mehr! Bei Nahe wünschte sie sich, es wäre umgekehrt und ihr Gesicht wäre für immer schwarzweiß beschminkt. Sie sah ihrer Mutter einfach viel zu ähnlich! Das war es, was sie daran so ärgerte.
Die Heuchelei vom reinem Blut und der wahren Herkunft, dass sie die Nachkommin von einer alten Hexenkönigin war, all das wollte sie niemals haben! Sie war bei Nahe daran erstickt, an dem Druck sich richtig zu benehmen und wie man sich formell kleidete. Die Stimmen spitzer Zungen jagten sie bis heute ...
Sitz still, Stella! Wir haben vornehmen Besuch!
Geh gerade, Stella! Es schickt sich nicht für ein junges Mädchen, so alberne Faxen zu machen!
Stella, komm runter und verabschiede gefälligst unseren Gast! Die Sterne laufen dir nicht weg!
Stella, was sind das für Manieren?!
Stella, Stella, Stella ... was sollen wir nur mit dir machen!?

"Mich ausstopfen und als Marionette gebrauchen!", knurrte Stella ihr Spiegelbild an. "Das hättet ihr mit mir machen sollen! Aber als ich endlich siebzehn war, konntet ihr mir nichts mehr ... NICHTS!"
Niemand war in ihrer Jugend ihr Freund gewesen, als sie zu Hause war. Alles beugte sich dem Willen der Frau, einer Hexe, die sie mal Mutter genannt hatte.
Stella erhob sich, um nicht länger in dieses Gesicht blicken zu müssen. Sie ging zu ihrem Bett, um sich endlich in ihr Buch zu vertiefen. Sie setzte sich und griff reflexartig zum Nachttisch. Sie griff ins Leere und verwundert sah sie auf.
Das Buch! Sie hatte es im Astronomieturm vergessen.
Stella seufzte. Sie wollte jetzt keinen Hauselfen aus den Federn jagen, um ihr ihr Buch zu holen. Überhaupt vertraute sie niemandem ihre Sachen an.
Sie stand wieder auf, holte einen seidenen, lila Morgenmantel mit goldenen Monden und Sternen aus ihrem Schrank hervor und band ihn sich um. Schwarze Hausschuhe an den Füßen würden sie wärmen, während sie durch die Korridore von Hawkner schlich.
Darauf achtend, nicht gesehen werden, was durchaus nicht schwierig war zu dieser Uhrzeit, huschte sie also ihren Weg entlang. Es dauerte nicht lange und sie stieg bereits die Treppe zum Astronomieturm hinauf, als sie plötzlich innehielt und sich noch einmal umdrehte.
Die Tür zum Turm war offen gewesen! Hatte sie sie nicht ordentlich verschlossen gehabt?
Vielleicht war ein Schüler hier? Aber das konnte sie sich nicht vorstellen! Ihr Fach war bei weitem nicht so beliebt, dass sich jemand heimlich hierher schlich.
Langsam und trotzdem gewappnet tappsten ihre Hausschuhe den Weg weiter hinauf.
Sie hörte etwas Merkwürdiges, als würde jemand irgendwo ein Brett sägen oder so was.
Oben angekommen sah sie das Buch auf ihrem Pult. Aber ringsumher war niemand zu sehen. Die Truhe für die Schüler war unberührt geblieben.
Sie erkannte das Geräusch als Schnarchen an und nur eine Sekunde später wusste sie auch, woher es kam!
Eindeutig kein Schüler! So schnarcht keiner von den Jungen, die ich in meinen Klassen habe!
Stella überlegte sich, ob sie es dabei belassen und schnell wieder verschwinden sollte, doch sie war schon neugierig, wer ihr Klassenzimmer um die Zeit besuchte.
Vorsichtig ging sie die schwarze, schnörkelige Metallwendeltreppe hinauf, Fuß um Fuß setzte sie auf.
Sie brauchte nicht lange, um zu begreifen, wer dort vor dem Teleskop saß - oder wohl besser lag.
Was macht denn der Idiot hier, dachte sie. Was hat er vor meinem Teleskop verloren?
Prof. McDove hatte wohl vergeblich versucht, während des Sterneguckens die Augen offen zu halten und war darüber eingeschlafen.
Prof. Nocturne war es unbegreiflich, wie er mit dem Kopf auf dem harten Metall schlafen konnte und noch dazu auf ihrem Holzschemel!
Vorsichtig trat sie näher und sie erhielt ihre Antwort von einem Geruch, der ihr eindeutig verriet, dass dieser Mann einen langen Abend hinter sich hatte. Die Alkoholfahne vertiefte ihren vom Ekel getrübten Eindruck noch mehr und sie rümpfte die Nase.
Aber was sollte sie nun mit ihm anstellen?
Ihn liegen lassen?
Die Antwort erledigte sich.
Offensichtlich war Prof. McDove noch nicht lange dort, denn sein Kopf rutschte vom Teleskop herunter.
Prof. Nocturne erschrak. Er musste sich fürchterlich am Auge weh getan haben und sie war schon kurz davor, ihn zu bemitleiden, als er in seiner traumtänzerartigen Panik den Kopf verwirrt hob und sie erblickte.
"Was is`los? Welcher Gnom is in den Kessel ...?", murmelte er noch, halb im Schlaf, aber schnell war er wieder in der Realität gelandet.
Prof. Nocturne stemmte die Hände in die Hüften.
"Was machen Sie hier?", fragte sie.
"Ich? Ich wollte ... Moment, dasselbe könnte ich Sie auch fragen!", sagte er und stand auf.
"Also hören Sie mal! Sie sind hier in ..."
"Warum haben Sie mich auf dem Ball angelogen? Wer sind Sie wirklich? Jedenfalls sind Sie keine Vertretung!", stellte Prof. McDove fest. Er beeilte sich, als wenn er Angst hätte, dass er nicht genug Zeit hatte.
Vetretung?, dachte Prof. Nocturne. Die Schminke!, schoss es ihr durch den Kopf.
"Ähem ... eh ..." Ganz langsam schob sie ihren Fuß mit dem schwarzen Hausschuh zurück. Dann dachte sie nicht mehr lange nach, wirbelte herum und raste die Wendeltreppe hinunter. Das Buch von dem Astronomen konnte sie noch später lesen!
Womit sie aber nicht gerechnet hatte, war, dass Prof. McDove durch den Schlaf wieder etwas nüchterner zu sein schien. Denn er rannte ihr nach.
"Bleiben Sie stehen! Wer sind Sie?!"
Darauf kannst du lange warten, du Idiot!, dachte sie und tappste im Trippeltakt die Treppe hinunter.
Plötzlich rutschte sie auf den glatten Steinen aus.
Zu früh gefreut!, glaubte sie die spitze Stimme ihrer Mutter zu hören, als sie die Treppe hinuntersegelte.
Der Hausschuh ihres rechten Fußes flog vorraus. Sie landete auf dem Po. Gerade so eben konnte sie gerade noch so an einer Stufe festkrallen, wodurch ihre Fingernägel umknickten. Vom Schock getroffen atmete sie schwer und rührte sich eine Weile nicht.
Erst als Prof. McDove bei ihr angekommen war, hob sie den Blick, die Augen noch immer weit geöffnet vor Schreck.
"Sie hatten Glück. Wären sie unglücklicher gefallen, hätten sie sich den Schädel aufschlagen können", meinte er und bot ihr die Hand an.
Sie rührte sich nicht und sah ihn weiter an.
"Bitte, ich will Ihnen doch nichts Böses!", sagte er.
Nur zögerlich nahm sie seine Hand und er half ihr auf. Ihre Hüfte und ihr Fuß schmerzte und sie verzog das Gesicht. "Warten Sie. Setzen Sie sich", sagte er. Mit Hilfe des Aufrufezaubers holte er ihren Hausschuh zu ihr zurück und setzte ihr ihn auf den Fuß. Dann jedoch hielt er inne und zog ihr die beiden aus.
Prof. Nocturne wusste nicht warum, aber es bereitete ihr eine Gänsehaut.
"Kommen Sie, stützen Sie sich auf mich", sagte er. Er hatte es nur getan, damit sie besser laufen konnte. Ohne diese unpraktischen Latschen war es zwar sehr kalt an den Füßen, aber sie hatte wenigstens festeren Halt.
Zögerlich stützte sie sich trotzdem, indem sie den Arm um seine dargebotenen Schultern legte. Er half ihr hinauf zum Klassenzimmer zurück.
Dieser Schleimer, dachte sie.
Warum muss er nur so furchtbar nett sein!?
Er bemerkte erst, als er sie oben auf eine Schülerbank gesetzt hatte, dass sie weinte.
Warum nur war sie immer traurig, wenn er sie ansah? Diese wunderschöne Frau mit den schwarzen Haaren mit den goldbraunen Augen, die sich bewegen konnte, als wäre sie ein Wesen, welches nicht von dieser Welt war?
"Nicht weinen ...", sagte er, zauberte ein Taschentuch herbei und hob ihr Kinn an, damit er ihr die Tränen trocknen konnte.
Zögerlich folgte sie ihm und sah ihn an, mit einem Schmollmund, der ihn an jemanden erinnerte. Nein ... nicht erinnerte. Sondern er gehörte ihr!
Er wusste es plötzlich, einfach so! Prof. Nocturne saß dort vor ihm und er konnte sich nicht erklären, wie er sie all die Zeit nicht erkennen konnte!
Das Taschentuch in seiner Hand hatte er völlig vergessen, als er sie so anstarrte.
"Du bist das ... Sie sind ... Professor Noc ... Stella" Er wusste nicht, wie er sie nun nennen sollte. Nur in einem war er sich sicher!
"Ich ... ich bin so ein Idiot!", sagte er.
"Da hast du völlig Recht!", sagte sie mit schriller Stimme und schluchzend. Ohne weiter zu überlegen, schnappte sie sich das Taschentuch aus seiner Hand und schnäuzte sich geräuschvoll und sei es nur, um vor Scham ihr Gesicht darin zu verbergen.
Er beobachtete sie, völlig überwältigt von seiner Erkenntnis.
"Warum?", fragte er dann. "Warum hast du mir das verheimlicht? Warum ..."
"Das weiß ich auch nicht! Ich kann es mir nicht erklären, wie ich dazu kam ... So etwas habe ich noch nie ..." Immernoch weinte sie, heulte Rotz und Wasser.
Prof. McDove sah sie an. Wenn er ihre Worte richtig deutete und eins und eins zusammenzählte ...
Ein Gefühl der Wärme umhüllte sein Herz, bettete es in einen weichen Teppich aus Federn, die einem Schwarm von Vögeln gehören musste, die in seiner Brust mit den Flügeln Alarm schlugen.
Erneut legte er die Hand an ihre Wange und tätschelte sie. Er lächelte.
"Wissen Sie, Prof. Nocturne ...", sagte er, als sie den Blick hob und er setzte sich neben sie.  "Ich brauche keine Erklärung von Ihnen."
Ihr trauriger Blick wandelte sich um in Skepsis. Genau die Skepsis, die er immer bei Prof. Nocturne gesehen hatte. Sie brachte ihn zum Grinsen.
Wird er jetzt schon wieder aufmüpfig?, dachte sie und wollte sich ein paar Zentimeter von ihm weg setzen.
"Denn ich kann es mir ... genau so wenig erklären", setzte Prof. McDove fort und legte den Arm erneut um sie, damit sie nicht noch weiter rutschte.
Sie hielt inne und sah ihn an. Sein Blick war so warm ... so zärtlich. Nein, er würde sie doch nicht ...!
"Du... Sie haben getrunken ...!", murmelte sie protestierend.
Doch es nützte nichts und im nächsten Moment hatte sie diese Tatsache auch schon wieder vergessen, als er sie plötzlich küsste.
Nein, kein Idiot, dachte sie und legte langsam die Arme um seinen Hals, damit er den Kuss möglichst nicht beendete.
Nun wusste sie, was sie so sehr von den Sternen abgelenkt hatte. Sie hatte sich ganz einfach verliebt in ihn! In den idiotischen Egoisten!

Epilog

Prof. Adelrune saß vor ihrer Kristallkugel und beobachtete lächelnd, wie Prof. McDove und Prof. Nocturne sich erhoben und gemeinsam den Astronomieturm verließen. Als er ihr half, die Stufen hinunterzusteigen, weil ihr Knöchel ein wenig angeschwollen war, brach sie die Beobachtung ab und lehnte sich in ihren Sessel zurück. Ihre Nebelkrähe hatte den Schnabel unter den Flügel gelegt, um zu schlafen.
Thomas, dachte die buckelige Hexe verschmitzt lächelnd und legte die Fingerspitzen aneinander.
Ich hatte so sehr für dich gehofft und du hast eine sehr gute Wahl getroffen! Ich glaube, in der nächsten Zeit lasse ich deine Träume in Ruhe!
Sie sah zum Fenster. Ein einzelnder Blumentopf stand dort mit dem Ansatz eines Lavendelstrauches.
"Nanana! Wirst du dich wohl zurückverwandeln?!", krächzte sie tadelnd das Kraut und schwang den Zauberstab. Der Lavendel verwandelte sich in Eisenhut.
 "Noch ist es nicht an der Zeit! Noch nicht ..."

Ende



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