3. Kapitel - Adelrunes Büro
Prof. Mamba schrak aus seinem Traum auf. Der Zug hielt an der Haltestelle "Am Falkenberg". Er war wieder zu Hause! Müde und mit eingefallenen Wangen stand er auf. Auf Reisen hatte er niemals großen Appetit. In Hawkner würde er das Mittagessen als einen wahren Segen begrüßen und abends würde er sich ein Gericht mit Kuskus in seinen Räumen zubereiten. Kuskus war ein reisähnliches Gemüse, welches früher auch gerne zu Grieß verarbeitet wurde. Während er seinen Koffer lässig mit einem Zauberstabwink vom Gepäckträger hinunterdirigierte, versuchte er sich an den Traum zu erinnern, aber er konnte es nicht! Alles, was er bei sich behalten hatte, war eine merkwürdige dunkle Stimme, die irgendetwas afrikanisches vor sich hergesungen hatte. Heimweh, dachte Prof. Mamba belustigt. Stell dich nicht so an! Du bist in deinem Heimatdorf, wie auch in Hawkner zu Hause! Wenige Minuten später spazierte Prof. Mamba, inzwischen wieder in seinem schwarzrotem Umhang, den Hawknerhügel hinauf. Er grüßte lässig im Vorbeigehen die Wildhüterin Traude Wildfuchs, obwohl die ihm zurief: "Prof. Adelrune wird dir den Kopf abreißen! Du solltest sie lieber in ihrem Büro aufsuchen!" Und das würde er auch tun. Sobald er seinen Koffer ausgepackt, zu Mittag gegessen und die neue afrikanische Maske aufgehängt hatte, würde er vielleicht evtl. zu ihr gehen.
Als Prof. Hinz sich am Abend um viertel vor sechs auf den Weg machte, hatte sie wieder diesen Klos im Hals. Sie hatte es nicht sonderlich eilig, von dieser buckeligen Hexe wie aus dem Märchen von Hänsel und Gretel entsprungen, verspeist zu werden! Was würde Prof. Adelrune bloß sagen? Ob sie, sie für ihr Versagen verwarnen würde? Vielleicht wollte sie ihr auch bloß helfen? Oder sie schmeißt dich raus, sagte eine gemeine Stimme in ihrem Hinterkopf, die den sauren Klos nur noch mehr anschwellen ließ. Sie wimmerte leise und blieb stehen. Ich geh einfach nicht hin!, sagte sie sich. Ich verstecke mich irgendwo, dann wird es schon hinhauen! Prof. Adelrune kann dann einen weiteren Tag mit der Entlassung warten! Prof. Hinz zitterte. An einem königsblauem Wandbehang gelehnt mit dem Hawknerwappen darauf, rutschte sie hinunter auf den kalten Steinboden. Vor Scham verbarg sie ihr Gesicht in den Händen, was schon wieder ganz rosa von Tränenspuren war und wusste nicht, warum sie eigentlich noch auf Hawkner blieb. Auf diesem Gang ging eigentlich kaum jemand lang, weil es der Gang war, der zu dem Büro der Schulleiterin führte. Schüler kannten den Gang kaum und wer würde schon freiwillig unter der Nase einer gerissenen, gemeinen, alten Schachtel wie dieser umherwandeln. Umso mehr wunderte Prof. Hinz sich, als Folgendes geschah: "Hey ...", sagte plötzlich eine tiefe, schwarze Stimme und sie sah auf. Prof. Mamba stand nur kurz da vor ihr, dann beugte er sich schnell zu ihr und holte sie sachte an den Schultern hoch. "Prof. Hinz! Warum zum Geier weinen Sie denn?" Prof. Hinz brachte erst kein Wort hervor. Sie war völlig überrascht, dass Prof. Mamba so urplötzlich vor ihr stand. "Sie hier?", fragte sie dann leise. "Sie sind ... nicht davongelaufen?" "Davongelaufen? Wovon reden Sie? Ich hatte Urlaub!", antwortete Prof. Mamba und reichte ihr mit dem Schwenker seines Zauberstabs ein Taschentuch. "So lange?", schniefte sie und nahm es bereitwillig entgegen. Sie schnäuzte sich und klang dabei, als würde eine ganze Elefantenherde Laut von sich geben. Prof. Mamba grinste darüber. "Ich ... ja, ich ... hab ein bisschen die Zeit vergessen." Verlegen kratzte er sich am Kopf. "Müssen Sie auch zu Prof. Adelrune kommen?", fragte Prof. Hinz. "Mmm ... ja! Ehrlich gesagt ja." "Dann sind wir wohl schon zwei, die gefeuert werden", seufzte seine Noch-Kollegin. "Und wenn schon, das kriegt mich nicht unter! Ich habe immerhin studiert!", sagte Prof. Mamba. "Und Sie auch!" "Mhm ... nun ... ja!", murmelte Prof. Hinz. "Gehen wir gemeinsam hin. Prof. Adelrune wird schon mit uns beiden fertig werden müssen. Ach übrigens,für den Fall, dass wir wirklich rausgeworfen werden : Nennen Sie mich Sydney!" Prof. Mamba reichte ihr die Hand. Zögerlich nahm Prof. Hinz seine Hand in die ihre. Sie fühlte Schwielen und hatte den Eindruck als würde sie eher einen braunen Handschuh anfassen. "Dann nennen Sie mich Jasmina!"
Prof. Mamba voran und öffnete die schwere Tür auf der ein Hirsch und ein Falke abgebildet waren, sowie Ranken aus Lilien und Rosen, die um das Bild der beiden Tiere herumwuchsen. Sie gingen an verhangenen Bilderrahmen vorbei, von denen Prof. Hinz schon einmal gehört hatte. Zu Prof. Hawkners Zeiten waren sie nicht verhangen gewesen und unter ihnen befanden sich Gemälde der Ritter der Tafelrunde. Am Ende des Ganges angekommen, befanden sie sich im Büro der Schulleiterin von Hawkner, die es sich in ihrem Sessel gemütlich gemacht hatte. Sie hatte die beiden scheinbar noch nicht bemerkt, bis Athila, Adelrunes Nebelkrähe einen Laut von sich gab. Die Schulleiterin sah auf. Prof. Mamba nickte Prof. Adelrune zu, während Prof. Hinz zur Salzsäule erstarrt war. Sie hatte Angst! "Sooo...", sagte die krächzende Stimme der alten Hexe. "Prof. Mamba, wohlbehalten aus Afrika zurückgekehrt, nehme ich an?" Er nickte erneut. "Oder hat er vielleicht noch einen kleinen Umweg gemacht, einen kleinen Schwenker hinüber in sein geliebtes Australien?" "Prof. Adelrune, glaubten Sie ernsthaft, ich würde die Chance nicht nutzen und nur kurz auf einen Sprung meine Mutter besuchen? Ich habe sie seit vielen Jahren nicht gesehen!" "Gewiss, nein.", lächelte die alte Hexe. Prof. Hinz stutzte. Das Lächeln, was die Schulleiterin trug, war nicht boshaft oder gemein, sondern eher mütterlich. Das passte nun gar nicht in das Bild von ihrer Chefin! Sie muss es vortäuschen!, dachte sie. "Achja ... die gute alte Mamadou ...", seufzte Prof. Adelrune auf einmal. "Sie hat mir eine Nachricht zukommen lassen, die ich aber nicht in Gegenwart von Prof. Hinz mit Ihnen besprechen werde ..." Prof. Mamba nickte und lächelte ebenso. "Ladys first!", sagte er. Prof. Hinz sah ihn skeptisch an. Wie kann Prof. Mamba ...Sydney ..., verbesserte sie sich, ... sie nur so sehr im Griff haben? "Prof. Hinz ... Ich habe sie hergerufen, weil mir zu Ohren gekommen ist, dass Sie der Probleme mit den älteren Jahrgängen immernoch nicht Herr geworden sind." Oh nein, dachte Prof. Hinz und senkte den Kopf. Und das sagt sie vor Prof. Mamba! Wie kann sie nur?! "Ich ehm ... jaah, es stimmt!", sagte sie und kniff kurz die Augen zusammen, um nicht zu Sydney schauen zu müssen. Dessen Miene blieb unbewegt, was Prof. Hinz wiederum alles andere als Mut machte. Und schon war sie wieder da, diese Unfähigkeit sich zu bewegen, sich auch nur das kleinste bisschen zu rühren. Diese Schmach ... Sie sah erst wieder auf, als jemand seine Hände auf ihre Schultern legte und als Prof. Hinz den Blick hob, erkannte sie erschrocken Prof. Adelrune, die sich von ihrem Platz erhoben hatte. Prof. Hinz sah ihr direkt in die Augen, ungewollt natürlich, aber dieser Blick, den ihr diese Hexe zuwarf, war so anders, als der, den sie erwartet hatte. Er nahm sie gefangen und zwang sie regelrecht in etwas zu blicken, was vielleicht das Innerste dieser Alten war. In ihrem Kopf schwirrte es. Prof. Hinz hatte gezittert, als sie Prof. Adelrune so dicht vor sich gehabt hatte, aber jetzt hatte sie aufgehört. Es war, als lehnte eine feste Matratze gegen ihren Rücken, die ihr festen Halt bot. "Nun, Prof. Hinz, Sie sollten nicht so eine Angst haben. Morgen sieht die Sache bestimmt schon wieder ganz anders aus." Prof. Adelrune zeigte ein schiefes Grinsen, dann löste sie sich von Prof. Hinz, der war, als wenn sie aus einer Trance erwachte. Was war das?, fragte sie sich. Das war so unheimlich, aber ... Sie sah unbeholfen zu Prof. Mamba, der ihr zulächelte. Irgendwie fühle ich mich besser. "Sie werden das Problem in den Griff kriegen?!", donnerte Prof. Adelrunes Stimme durch Prof. Hinz Gemüt und hakte somit noch einmal nach. "Natürlich!", sagte Prof. Hinz, die selber überrascht war, mit was für einer Überzeugung sie diese Worte aus dem Mund brachte. "Gut, dann darf ich Sie bitten, zu gehen. Prof. Mamba hat auch noch einen Termin mit mir", nickte Prof. Adelrune ihr zu. "Warte draußen auf mich, Jasmina", fügte Sydney zwinkernd hinzu, zum Zeichen, dass das schon in Ordnung war. Als Prof. Hinz den Gang zurückging und die Tür hinter sich mit knarrendem Geräusch geschlossen hatte, kam sie nicht umhin, zu prüfen ob sie nicht zumindest ein bisschen lauschen konnte. Aber die schwere Holztür war viel zu dicht und weit entfernt, als dass sie etwas hätte hören können. Also wartete sie. |